Das verlorene Land
und der gute alte Sarkozy regiert sein Land mittlerweile mit harter Hand, jedenfalls die Gebiete, die er noch unter Kontrolle hat. Er hat die Migrantenghettos eingemauert. Wenn es nach mir ginge, dann würden wir Baumer in Berlin-Neukölln suchen, wo seine Mutter wohnt. Noch wohnen dürfte, wenn sie noch lebt. Die Deutschen haben keine ethnischen Säuberungen durchgezogen. Außerdem haben sie eine ganze Menge französischer Flüchtlinge nach dem Bürgerkrieg aufgenommen. Auch aus England, nachdem die Tories wieder drankamen. Eine Dritte-Welt-Metropole unter der Knute der Scharia wie Neukölln wäre genau der richtige Ort für Baumer, um sich zu verstecken. Er kennt den Stadtteil in-und auswendig, und dort gibt es jede Menge Leute von seinem Schlag. Und auch viele Neuankömmlinge. Damit dürfte es den Deutschen nicht gerade leichtfallen, einen Verdächtigen herauszupicken. Außerdem haben sie sowieso schon genug Probleme mit den Polen und den Russen.« Sie seufzte und schüttelte den Kopf. »Was für eine Welt, Dalby?«
Seine Pfeife war jetzt heiß geraucht. Caitlin rauchte nicht, aber sie mochte den starken, erdigen Geruch des Tabakrauchs nach dem ganzen Gestank im Verhörzimmer.
»Würden Sie denn gern wieder auf dem Schlachtfeld aktiv werden? Nach Deutschland gehen, zum Beispiel?«
Sie nickte. »Ich habe ihn dort ein Jahr lang überwacht. Er hat ein ganzes Netzwerk zur Verfügung. Jedenfalls hatte er das damals. Diese ganze Noordim-Truppe …« Sie hielt inne. »Aber Sie können mir doch hoffentlich bestätigen, dass dieser Dr. Noo wirklich tot ist, oder? Das haben die Franzosen doch wohl nicht auch noch vermasselt?«
Dalby lächelte.
»Nein. Die Neun-Millimeter-Kugel, mit der Sie ihn erwischt haben, hat ihn tatsächlich ins Jenseits befördert, wo er jetzt seine sechsundsiebzig Rosinen zusammen mit dem Propheten genießen kann. Zumindest über ihn müssen wir uns keine Gedanken mehr machen.«
»Wenigstens etwas«, sagte sie erleichtert. »Und um Ihre Frage zu beantworten: Ja, ich glaube, Deutschland ist der richtige Ort, um mit der Suche anzufangen. Ich würde gern so schnell wie möglich damit beginnen.«
»Ich kann Sie nach London bringen, wenn wir hier fertig sind, wenn Sie möchten«, bot Dalby an.
»Nein«, sagte Caitlin. »Ich möchte mich erst noch von meiner Familie verabschieden.«
»Du weißt aber, dass Geheimagenten im Allgemeinen keine Brüste haben, aus denen die Milch hervorquillt. Ich hab nochmal in den Richtlinien nachgeschaut. Scheint eine Grundregel zu sein.«
Caitlin wickelte die kleine Monique in ein frisches Tuch ein und legte sie in die Wiege neben Brets Krankenhausbett.
»Kann sein, dass das mal eine Grundregel war«, sagte sie. »Aber die wurde inzwischen ersetzt von den allgemeinen Gleichberechtigungsgrundsätzen. Jeder Dschihad-Kämpfer oder Auftragskiller, der sich einen unfairen Vorteil aufgrund meiner gefüllten Brüste verschafft, wird vom Amt für Gleichstellung zur Rechenschaft gezogen. Abgesehen davon sind frischgebackene Mütter die perfekten Attentäter. Sie sind darauf trainiert, besonders leise zu sein, bis spätnachts wach zu bleiben und im Dunkeln umherzuschleichen, ohne dabei auf Legosteine oder Patronenhülsen zu treten.«
Bret lächelte, aber man sah ihm an, dass es wehtat. Er versuchte, ihren Abschied leichtzunehmen, aber es gelang ihm nicht. Er hatte sich geweigert, Schmerzmittel zu nehmen,
damit er einen klaren Kopf hatte, wenn sie sich meldete. Caitlin kannte ihn gut genug, um zu sehen, dass er starke Schmerzen hatte, die er vor ihr verbergen wollte. Aber schlimmer war, dass er sich noch immer nicht verzeihen konnte, am Morgen versagt zu haben, so sehr sie ihm auch klarmachte, dass sie ihm nichts vorwarf. Er war viel zu sehr Soldat, genauer gesagt ein Ranger, um darüber hinwegzugehen. Er konnte seine Vergangenheit nicht einfach so abstreifen.
Das wird er sich nie verzeihen, wurde ihr klar. Weder heute noch morgen noch sonst irgendwann.
Nur eine schwache Glühbirne auf der Ablage neben seinem Bett erhellte das Krankenhauszimmer. Schon vor einigen Stunden war draußen die Nacht angebrochen, und die Vorhänge waren zugezogen. Monique gluckste ein paarmal, schlief ein und schnarchte ganz leise vor sich hin, und dieses sanfte Geräusch brach Caitlin das Herz. Sie hatte sie ein letztes Mal gestillt. Sie setzte sich auf den Rand des Bettes neben Bret, nahm seine Hand und verschränkte seine Finger mit ihren, wobei sie darauf achtete, dass sie den Schlauch
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