Das verlorene Land
mit der intravenösen Infusion nicht abriss oder ihm wehtat. Sie war jetzt zur Abreise bereit, trug Jeans, ein dickes Wollhemd und ihren Lieblingsmantel aus schwarzem Leder. Er hingegen lag bandagiert im Bett in einem dünnen Baumwoll-Nachthemd, das am Hintern frei geschnitten war. Es war ganz bestimmt nicht richtig, die beiden zu verlassen, aber sie sagte sich, dass sie ja nicht ohne Grund fortging, sondern um sie zu beschützen. Und das bedeutete nun mal, dass sie dort draußen in der Dunkelheit auf Monsterjagd gehen musste.
»Dieser Dalby, der ist kein schlechter Kerl, oder?«, fragte Bret leise mit krächzender Stimme. »Er hat mir die Sache mit der Farm und dem sicheren Haus erklärt. Wir sind gut aufgehoben, Caity. Du solltest dir also keine Sorgen um uns machen, während du deiner Arbeit nachgehst. Denk
nicht drüber nach, dass du anrufen musst, um herauszufinden, ob es Monique und mir gutgeht. Mach einfach weiter …«
Sein von vielen Kämpfen in Mitleidenschaft gezogenes Gesicht verzerrte sich, und er brach in Tränen aus. Caitlin beugte sich über ihn, und ihre Tränen tropften auf sein Gesicht.
»Wie kann man so einen Dummkopf bloß zum Schweigen bringen?«, flüsterte sie. Dann küsste sie ihn heftig und kurz, ohne auf seine Verletzungen Rücksicht zu nehmen. Für einen Augenblick gab es nur sie beide, Bret und Caitlin, auf der Welt. Aber als sie sich von ihm löste, spürte sie, wie alle sanften Gefühle von ihr abfielen und sich ein Panzer um ihr Herz legte, um es für die Kämpfe zu wappnen, die ihr bevorstanden.
»Ich liebe euch beide.«
»Ich liebe dich auch«, sagte er.
»Und ich werde so schnell wie möglich zurückkommen«, versprach sie. »Ich werde es schaffen, und alles wird gut. Alles wird super werden.«
Er drückte ihre Hand und lächelte, aber sie wusste, dass er ihr nicht glaubte.
20
Air Force One, Flug von New York nach Kansas City
»Kontakt«, gab der Pilot über den Kabinenlautsprecher der Air Force One bekannt. Kipper schaute durchs Fenster zu dem kleineren Flugzeug, einem Kampfjet, der von ihrem Begleitflugzeug betankt wurde. Er fand den Vorgang des Auftankens im Flug immer wieder faszinierend. Es war das perfekte Beispiel für das Zusammenspiel von Mensch und Maschine und ein Beweis dafür, dass fast alle Probleme durch vernünftiges Denken und gut geplante Strategie lösbar waren.
Fast alle Probleme.
»Auftanken beendet«, sagte der Pilot des kleineren Flugzeugs über Funk. Der Kampfjet entfernte sich von der Tanksonde, und eine Nebelschwade aus Kerosin sprühte über den Flugzeugrumpf, während die Maschine wieder ihren Platz in der Formation unter dem klaren blauen Himmel einnahm. Kipper wusste, dass die Air Force One nicht auf diese Weise aufgetankt werden konnte. Er hatte nachgefragt und mit Jed Culver darüber diskutiert, ob er nicht ein anderes Flugzeug, zum Beispiel eine Air Force C-17, benutzen könnte, aber seine Berater hatten in dieser Hinsicht nicht mit sich reden lassen.
»Das Flugzeug mit dem Namen Air Force One muss benutzt werden, weil es zum Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten gehört und über das notwendige Prestige verfügt«, hatten sie argumentiert.
Welches Prestige denn? Kipper hatte sich das schon oft
gefragt, wenn er an Bord »seines« Flugzeugs gestiegen war, irgendwo auf einem einsamen Flugfeld mitten im Nirgendwo. Für diesen Flug zum Beispiel waren sie von dem Marine-One-Hubschrauber zur Air Force One auf einem Luftwaffenstützpunkt im Staat New York gewechselt, wenige Stunden nachdem sie die Stadt fluchtartig verlassen hatten. Es war ein unwirtlicher, windiger Außenposten gewesen, bewacht von einer schwer bewaffneten Truppe der Marines. Er schüttelte den Kopf. So hatte er sich seine Heimreise nicht gerade vorgestellt. Und wieder fragte er sich, welches Prestige die eigentlich meinten.
Nach dem kurzen Zwischenspiel des Betankens ließ Kipper sich auf seinen gepolsterten Ledersessel fallen und wandte sich wieder der langen Liste der Probleme zu, für die es leider keine schnellen und eleganten Lösungen gab. Beim Hinsetzen stieß er ein Buch zu Boden, das auf seiner Lehne gelegen hatte. Es war die Truman-Biografie von David McCollough. Er hatte den Abschnitt über die Entlassung von General Douglas MacArthur heute Morgen schon viermal durchgelesen, seit sie die Gefahrenzone um Manhattan herum verlassen hatten.
»Ich habe ihn nicht entlassen, weil es die einfachste Lösung war«, hatte Truman gesagt. »Ich habe ihn entlassen,
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