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Das verlorene Observatorium

Das verlorene Observatorium

Titel: Das verlorene Observatorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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aus der griechischen Mythologie, er war ein Zentaur, doch Chiron war im Gegensatz zu den übrigen seiner Art, die laut und gewalttätig waren, weise und liebenswürdig. Er war ein Lehrer, ein berühmter Lehrer, er unterrichtete Jason und Achilles und Äskulap. Mein Vater unterstrich die herausragenden Wörter in seinen Werken mit diesem Lineal. Er hat niemals jemanden damit geschlagen. Er hatte es nicht nötig. Er verwandelte all seine Schüler in kleine Genies. Er hinterließ mir das Lineal in seinem Testament, damit es mir Glück bringen sollte. Mehr hat er mir nicht hinterlassen. Das gesamte Geld und all seine Bücher erhielt die Universitätsbibliothek. Weißt du, wo Chiron ist?
    Nein, Sir.
    Einige der Bücher, die du hier siehst, gehörten meinem Vater. Ich habe sie gestohlen. Ich kann nicht stillschweigend über mein Verhalten hinweggehen, aber ich meinte, es sei wichtig für mich, zumindest etwas von seinem Wissen zu sammeln. Ich ging mit einer Aktentasche in die Bibliothek, legte die Bücher in die Tasche und ging mit ihnen wieder hinaus. Es dauerte nicht lange, da begann man, die Taschen der Leute zu durchsuchen, wenn sie die Bibliothek verließen. Also änderte ich meine Taktik: ich verstaute die Bücher in Mülltüten und warf sie aus den Fenstern der Bibliothek hinunter in die Mülltonnen. Ich stahl, was gewissermaßen mein Erbe hätte sein sollen, aber es war illegal, da Vater mir nur sein Lineal vermacht hatte. Weißt du, wo Chiron ist?
    Nein, Sir.
    Wir verbrachten den Tag nicht mit Lernen, sondern mit Reden. Bugg zeigte mir viele Bücher, aber nie diejenigen, die sein Vater geschrieben hatte. Er sprach von Dädalus, der seinen ungehorsamen Sohn im Ikarischen Meer verlor, von König Minos, der seinen Stiefsohn in einem Labyrinth gefangenhielt, von Ödipus, der seinen eigenen Vater ermordete, kurzum, er sprach von Vätern und Söhnen. Er erwähnte häufig seinen eigenen Vater, dessen Name Peter Bugg war. Der andere Peter Bugg, mein Privatlehrer, wurde auf den Namen Ronald Peter Bugg getauft, ließ den Ronald aber zugunsten von Peter weg, in memariam patris. Am Schluß jeder Geschichte fragte er immer, behutsam, ruhig, Weißt du, wo Chiron ist?
    Beim Aufräumen seines Zimmers, wir hatten ein ziemliches Durcheinander verursacht, als wir uns seine Bücher und Photos ansahen, bemerkte ich eine große Flasche Tinte, die auf einem Regal neben dem Waschbecken stand. Als ich sie wieder auf den Schreibtisch stellen wollte, hielt Peter Bugg mich zurück. Er wies mich an, sie zurückzustellen, denn dort gehöre sie hin, und er erklärte den Grund:
    Es ist eine traurige Geschichte, aber ich werde sie dir erzählen.
    Ein Geheimnis im Tausch gegen ein anderes Geheimnis. Eigentlich ist es ziemlich blöd, aber ich erzähle es trotzdem. Mein Vater veröffentlichte sein erstes Buch im Alter von sechsundzwanzig Jahren, damals war sein Haar noch pechschwarz, er war jung, und das Leben und andere Arbeiten lagen noch vor ihm. Ich war fest entschlossen, wie Vater zu werden, schon in jungen Jahren zu veröffentlichen. Aber mit sechsundzwanzig hatte ich immer noch nichts geschrieben. Also änderte ich meine Zielsetzung und nahm mir ein bescheideneres Projekt vor. Ich schwor, mein erstes Buch veröffentlicht zu haben, bevor mein schwarzes Haar ergraute. Du siehst mich hier mit schwarzen Haaren, aber grau bin ich schon vor vielen Jahren geworden. Die ersten grauen Haare tauchten auf, da war ich gerade mal dreißig. Es war beinahe, als würden mich meine eigenen Haare verspotten. Eines Abends, ich befand mich in meiner Abstellkammer in der Schule, überwältigte mich die Angst, daß ich meinen Schwur brechen würde. Ich saß vor dem Spiegel und versuchte, jedes einzelne graue Haar auszureißen. Es war sehr schwierig, eine wirklich knifflige Arbeit! Frustriert nahm ich eine Flasche mit nicht wasserlöslicher Tinte von meinem Schreibtisch und färbte damit meine Haare. Seitdem mache ich es regelmäßig. Ich färbe meine Haare mit schwarzer Tinte, das gibt mir mehr Zeit. Eines Tages werde ich ein Buch schreiben, und dann lasse ich meine Haare grau werden, setze mich hinaus in die Sonne und atme tief durch. Deshalb die Tinte. So, Francis, mein lieber Junge, nachdem ich dir dies anvertraut habe, würdest du mir bitte erzählen, wo ich Chiron finde?
    Sir, das weiß ich nicht. Bitte, glauben Sie mir.
    Morgen werde ich wieder aufstehen. Vielleicht finde ich, wenn ich aufwache, ein Stück Mahagoni neben mir. Was meinst du, Junge?
    Ich habe

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