Das verlorene Regiment 02 - Jenseits der Zeit
auf. »Ich entscheide mich dafür, nicht von der Gnade eines Merki zu leben. Falls es das Ende meines Volkes bedeutet, dann stelle ich mich dem mit dem Schwert in der Hand. Und falls die Ahnengötter mir nicht helfen, dann können sie in Qualen brennen, soweit es mich angeht!«
Jubadi warf den Kopf in den Nacken und lachte bellend.
»Tapfere Worte, wenn du weißt, dass mich mein Schwur derzeit daran hindert, gegen dich zu kämpfen. So lange, bis du sicher zu deinem Volk zurückgekehrt bist.«
»Falls du nicht beschlossen hast, uns zu vernichten, dann gibt es einen Grund dafür«, entgegnete Muzta kalt. »Sprich ihn jetzt aus! Ich bin fünfzig Tage lang geritten, um so vor dir zu stehen. Ich habe nicht den Wunsch, auch nur einen Augenblick länger als nötig bei dir, deinem Volk und diesen Maschinen zu bleiben.«
»Wenigstens bist du nicht gebrochen«, sagte Jubadi.
Muzta stand ausdruckslos da. Falls dieser verhasste Feind es nur wirklich gewusst hätte, dachte er bei sich. Aber vor wenigen Stunden, als er den Merki-Sendboten sterben gesehen hatte, war er neidisch auf ihn gewesen, hatte den heimlichen Wunsch verspürt, die Last der Verantwortung und die Demütigung der Niederlage von der Hand des Viehs abzuwaschen. Aber andererseits fürchtete er seinen Vater im Jenseits, denn dort wussten sicher alle, dass er, Muzta, dem niedrigsten aller Völker erlaubt hatte, die Oberhand über ihn zu gewinnen. Der Tod bot ihm keine Zuflucht. Ein Grauen erwartete ihn dort, das er fürchtete. Er konnte nicht entfliehen, nicht in dieser Welt und nicht der nächsten, und das quälte ihn auf eine Art, die seinen Schlaf durch Albträume des Abscheus störte.
»Warum hast du mich herbestellt?«, fragte er und kam damit endlich zum Kern der Sache.
Ihn hatte zuvor die Hoffnung bewegt, dass die Merkihorde weiter nach Osten zog, ohne ihn zu verfolgen, damit er sich nach mehreren Jahren auf ihre Spur hätte setzen können, um dort vielleicht Nahrung zu finden, womöglich sogar bis zur Bantaghorde vorzustoßen. Als eingeschworene Feinde der Merki wären die Bantag vielleicht ein Abkommen mit den Tugaren eingegangen. Die Sagenkünder sangen davon, wie sich die Bantag und Tugaren vor zweiundzwanzig Umkreisungen vereint und die Merki beinahe ausgerottet hatten, bis sie sich schließlich über die Beute zerstritten, sich die Merki und Bantag gegen die Tugaren zusammenschlossen und sie zurück in ihr nördliches Reich trieben.
Offenkundig hatte Jubadi ihn gerufen, um ihm zu zeigen, dass die Tugaren in der Falle saßen und jetzt ganz von Jubadis Launen abhängig waren. Angesichts der gefürchteten Yankeewaffen in Merkihänden war alle Hoffnung für immer dahin.
Jubadi streckte die Hand aus und füllte Muztas Becher nach, und er deutete mit dem eigenen Becher auf die Reihe der Geschütze, die auf dem Deck der Ogunquit aufgereiht waren.
»Mit hundert dieser kleinen Ausführungen hättet ihr das Yankeevieh zerschmettern können, wie es euch zerschmettert hat.«
Muzta hörte einen Unterton von Mitgefühl aus Jubadis Ton heraus und blickte ihn an.
»Dein törichter Stolz«, sagte Jubadi gelassen, und es klang fast verständnisvoll.
»Du warst nicht dabei.«
»Aber ich habe Berichte vernommen.«
Muzta warf dem alten Rivalen einen scharfen Blick zu.
»Komm schon, jeder von uns hat Spione im Lager des anderen. Wir verachten sie, wir hassen jeden, der den eigenen Clan verrät, aber ihr benutzt diese Leute auch. Einer von ihnen hat euer Debakel überlebt. Du hättest auf deinen Qubata hören und nicht frontal angreifen sollen, wodurch ihr nur völlig ausgeblutet seid. Es war nicht Vieh, gegen das ihr gekämpft habt, es waren Männer.«
Muzta hatte keine Antwort.
»Und jetzt zahle ich ihnen hundertfach zurück, was sie euch angetan haben«, knurrte Jubadi kalt. »Du hast mir einen fürchterlichen Schlamassel hinterlassen, Muzta. Denkst du vielleicht, ich könnte es mir erlauben, jemanden wie diese Yankees im Norden zurückzulassen, während wir nach Osten reiten? Sobald wir die Welt umkreist hätten, hätten sie alles Vieh bewaffnet und in Krieger verwandelt. Vergiss nicht, dass wir vom Erwählten Volk heute nur noch wenige sind. Auf jeden Merki kommen hundert Stück Vieh. Und eure Rus sind nur eine kleine Herde, verglichen mit den Khita, den Constan, den Äptern. Stelle sie dir mal gegen uns vereint vor. Ist dir nicht aufgefallen: noch während wir ihr Fleisch verschlingen, sind es nach jeder Umkreisung wieder mehr geworden, während unsere
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