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Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05

Titel: Das Vermachtnis der Sternenbraut - Unter dem Weltenbaum 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglass Sara
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lassen. Neben ihnen stand der Riesenhund,
und der Klippenrand bröckelte leicht unter seinen
Vordertatzen weg.
Die Priesterin, in deren Adern menschliches Blut floß,
hielt sich klugerweise ein paar Schritte von der Klippenkante entfernt. »Seht Ihr?« fragte sie, wobei sie nach
unten wies. »Erkennt Ihr die Stufen?«
Die anderen blickten in die angegebene Richtung.
Eine Treppe, so schmal, daß nur jeweils eine Person sie
benutzen konnte, führte, dicht an den Fels geschmiegt,
vom Klippenrand nach unten, wo sie in der Gischt der
aufspritzenden Wellen verschwand. »Wohin …« setzte
die junge Frau an, doch die Priesterin unterbrach sie.
»Sie führt zur Gruft des Mondes, Aschure.«
Sternenströmer hob den Kopf. »Ich nahm an, die Gruft
des Mondes sei zugemauert worden, Erste Priesterin.
Daß der Ort verlassen und leer sei.«
Die Erste starrte ihn kurz an. Sie bewunderte seine
Schönheit, wie er hier im Sonnenlicht stand, während der
Wind sein Haar und die Federn seiner Flügel zerzauste.
Wie glücklich sie sich doch preisen konnte, lange genug
gelebt zu haben, um diesen Anblick genießen zu dürfen.
»Sie ist immer noch offen, Zauberer, aber sie sucht sich
ihre Besucher sorgfältig aus. Hütet Euch also davor,
diesen Ort uneingeladen aufzusuchen.«
Die Warnung ließ ihre Stimme rauher klingen, und
Sternenströmer zog sich einen Schritt von der Klippenkante zurück. Abendlied folgte seinem Beispiel, aber
Aschure blieb stehen, da sie glaubte, inmitten des
Donnerns der Brandung Stimmen zu vernehmen.
    Ist sie das?
Wie können wir sicher sein, daß sie es ist?
Trägt sie den Kreis?
Aschure? Aschure? Aschure?
»Aschure?« Sternenströmers Stimme durchdrang
schneidend ihre Gedanken, und sie zuckte zusammen.
»Möchtet Ihr den Tempel der Sterne sehen?«
    Sie lächelte und folgte ihren Gefährten die grasbewachsenen Abhänge hinauf, die zur höchsten Stelle der
gesamten Anlage und zum Tempel führten. Aber die
Schreie aus den Wellen blieben ihr noch lange im
Gedächtnis.
    Der Tempel sah anders aus, als Aschure erwartet hatte.
Ihr Gesicht verzog sich vor Enttäuschung, nachdem sie
den sanften Anstieg bewältigt hatte und endlich den
Tempel vor sich sah in all seiner … Pracht?
    »Ich glaube, Isgriff erwähnte, daß der Tempel gut
erhalten sei«, flüsterte sie. »… noch vollkommen in
Schuß.«
    »Und das ist er auch, Aschure, das ist auch der Fall«,
erwiderte Sternenströmer leise und völlig gebannt von
dem Anblick, der dem Volk der Ikarier so lange verwehrt
worden war.
    Aschure vermochte seine Ergriffenheit nicht zu teilen.
Alles, was sie erkennen konnte, war ein großer flacher
Kreis aus Marmor, der die gesamte Spitze der Erhebung
bedeckte und vielleicht fünfzig oder sechzig Schritt im
Durchmesser maß. Der Marmor wirkte noch nicht einmal
gut poliert, kaum mehr als sauber gefegt, und dies eher
vom Wind als durch Menschenhand. Sie entdeckte nicht
eine Säule, keinen Altar, weder ein Bildnis noch ein
einziges Stück Steinmetzkunst.
    »Ist das alles?« fragte sie. »Mehr gibt es hier nicht zu
sehen?« Sternenströmer wandte sich um und starrte sie
an, und in seinem Gesicht spiegelte sich die lebendige
Macht. »Man kann einen Tempel aus vielen Dingen
errichten, Aschure. Manchmal aus Stein oder Holz. Ein
anderes Mal aus Ziegeln und Mörtel. Gelegentlich auch
aus dem Blut und der Hoffnung derjenigen, die in ihm
beten. Hin und wieder aus Ideen. Und manchmal …
manchmal kann ein Tempel aus Licht und Musik
errichtet werden.«
18 N IAH
    Am Abend desselben Tages saß Aschure, nachdem sie
sich ausgeruht und gegessen hatte, mit der Ersten
Priesterin in ihrem schmucklosen Gemach beisammen.
Eine einzige Lampe brannte auf dem Schreibpult, das
zwischen ihnen stand, und ihr Flackern ließ Schatten
über die Gesichter der beiden Frauen tanzen. Einen
Moment lang verliehen sie der einen die Schönheit ihrer
vergangenen Jugend, der anderen die Gelassenheit, an
der es ihr für gewöhnlich mangelte.
    »Werdet Ihr mir von meiner Mutter erzählen?« fragte
Aschure schließlich.
Die Erste hielt inne, dann neigte sie das Haupt. »Ja.
Ich habe keine andere Wahl.«
»Was meint Ihr damit, Ihr habt keine andere Wahl?«
Die Priesterin lächelte, aber ohne allzu viel Humor.
»Eure Mutter sagte mir, Ihr würdet eines Tages hier in
diesem Raum sitzen und mir Fragen stellen.« Sie stieß
ein Lachen aus. »Ich glaubte ihr damals nicht. Aber ich
hätte es tun sollen, ich hätte es tun sollen.«
Aschure

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