Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis

Das Vermächtnis

Titel: Das Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
Vom Netzwerk:
Drecksarbeit. Meine schneeweißen Flecken wurden rußig grau, meine Zehen kohlschwarz. Doch die Versuchsreihe war so spannend, dass ich sogar vergaß, dass ich eigentlich Metall gewinnen wollte. Ich kam nicht einmal dazu, in den Flammen nach Bildern Ausschau zu halten. Hätte ich mir die Zeit dafür genommen, hätte ich zwar nicht Siv gesehen, aber dafür wieder den dunklen Fleck am Himmel, der auf die Insel zuhielt.
    Doch erst als ich auf einmal das unbehagliche Gefühl hatte, beobachtet zu werden, wurde ich argwöhnisch. Als ich ein Nachrichtenfeuer entfachte, bekam ich einen Riesenschreck. Ich erblickte einen jungen Uhu, der auf der großen Blautanne gleich hinter mir saß und mich nicht aus den Augen ließ.

„ Ich will lernen“, waren die ersten Worte, die Theo an mich richtete.
    Wie viel hatte er schon mitangesehen? Wusste er von dem Ei? Wie hatte ich so dumm sein können, den dunklen Fleck in den Flammen zu ignorieren? Wie hatte ich mir einbilden können, dass ich allein auf der Insel war, wo doch eine andere Eule nicht weiter von mir weg saß, als man ein Gewölle spucken kann? Wie lange trieb sich dieser Bursche überhaupt schon hier herum?
    „W-w-was willst du denn lernen?“, stotterte ich.
    „Wie man Feuer zähmt.“ Er stieß sich von seinem Ast ab und landete auf dem gespaltenen Felsen.
    Ich plusterte mich abweisend auf. „Dafür bist du noch viel zu jung. Um so etwas zu lernen, braucht man Geduld und Reife. Beides hast du nicht.“
    „Woher willst du das wissen? Du kennst mich doch noch gar nicht!“
    „Du bist ein Uhu“, gab ich zurück. „Das sagt schon alles.“
    „Wieso?“
    „Alle Uhus sind ungeduldig und aufbrausend.“
    „Das ist ungerecht! Man darf keine Eule benachteiligen, weil sie einer bestimmten Art angehört. Außerdem stimmt es nicht. Ja, ich bin jung und ein Uhu, aber ich bin für mein Alter sehr reif und Geduld habe ich zur Genüge.“ Er sah mich herausfordernd an.
    Ich kehrte ihm den Rücken zu und schaute ins Feuer, wobei ich bewusst nicht versuchte, in den Flammen etwas zu erkennen. Vergebens. Überall im Feuer sah ich sein Gesicht.
    „Willst du mich nicht mal fragen, wie ich heiße?“, sagte er schließlich.
    „Nein.“
    „Ich heiße Theo, und weißt du, was du bist?“ Er wartete meine Antwort nicht ab. „Du bist unhöflich und unverschämt.“
    Ich ahnte, dass ich ihn so schnell nicht loswerden würde. „Also noch mal: Was willst du lernen, und wie kommst du darauf, dass du die nötigen Voraussetzungen dafür mitbringst?“, fragte ich widerstrebend.
    „Ich will den Umgang mit Feuer lernen. Und du sollst mir Smiouden beibringen.“
    „Was ist ‚Smiouden ‘ , bitte schön?“
    „Kennst du das Wort etwa nicht? Smiouden ist die Kunst, Eis zu meißeln.“
    Wahrscheinlich stammte das Wort aus dem Alt-Krakischen. An manchen kleineren Fjorden war diese Sprache noch in Gebrauch. Die Eulen dort sammelten alte Wörter, als wären es kostbare Edelsteine.
    „Woher kommst du?“, fragte ich.
    „Vom Grundenspyrr-Fjord. Der geht vom Reißzahnfjord ab.“
    „Hab ich’s mir doch gedacht.“
    „Jetzt behauptest du bestimmt, dass die Eulen, die dort leben, rückständig und beschränkt sind.“
    „Mitnichten. Ich mache dich lediglich darauf aufmerksam, dass ich mit Stein arbeite, nicht mit Eis. Ich ‚smude ‘ also nicht.“
    „Es heißt ‚smi-o-uden ‘ .“
    „Du hältst dich wohl für einen Sprachgelehrten, was?“
    „Das habe ich nicht behauptet. Ich spreche einfach nur Alt-Krakisch.“
    „Aber du bist trotzdem ziemlich von dir selbst überzeugt, stimmt’s?“ Wie du siehst, lieber Leser, kann ich ganz schön gemein sein.
    „Gar nicht! Dann würde ich ja glauben, dass ich schon alles weiß, und hätte dich nicht gefragt, ob du mir etwas beibringst.“
    Das nahm mir den Wind aus den Flügeln. Ich sagte nichts mehr.
    Er kam näher. „Ich hatte einen Onkel. Er lebt nicht mehr. Er ist bei der Belagerung der Reißzahnbucht gefallen. Die Dämonen haben ihn getötet. Mein Onkel war ein großartiger Lehrer. Wissen war für ihn etwas Heiliges. Er war davon überzeugt, dass Wissen die einzige Waffe gegen die Dämonen ist. Er meinte damit aber nicht Wissen über Magie, sondern Wissen über die Natur und ihre Zusammenhänge.“
    Er machte eine Pause. Ich sagte immer noch nichts. Mein neuer Bekannter war ein ungewöhnlicher junger Uhu, so viel stand fest. „Mein Onkel hat immer gesagt: ‚Ich bin Lehrer geworden, weil ich einst selbst ein Lernender war. ‘ “
    Ich

Weitere Kostenlose Bücher