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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Scherer-Kern
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deinen Erlebnissen gesprochen. Du hast eine Tür geöffnet. Wir sagen, dass der Kummer schneller heilt, wenn man seine Gefühle ganz offen ausdrücken kann. Die Trauer und die Wut stecken noch tief in dir. Du kannst sie mit Worten ausdrücken oder mit der Sprache deines Körpers. Du kannst jammern, schreien, es herausbrüllen, immer wieder und wieder, bis es draußen ist. Wir sagen, wenn Trauer und Kummer lange im Innern getragen werden, dann können sie als Schmerzen in den Körper übergehen. Du kannst mit einem Tanz beginnen und dabei deinen Kummer aussprechen. Tu das, nach dem dir ist. Befrei dich von dem, was dir Qualen bereitet hat. Trenne dich davon, denn du bist in deinem Innern ganz und sollst nicht wie die beiden zur halben Blüte werden. Du bist eine junge Frau voller Kraft und Leben, die einen Menschen bei sich haben kann, doch immer auch sie selbst bleibt.“
    Sie sitzt im Sand und schaut zu Boden.
    „Kannst du meine Ahnen rufen, dass sie bei mir sind – und – kannst du meine Eltern rufen, dass sie bei mir sind?“, fragt sie, ohne ihn anzusehen.
    „Das will ich gern tun.“ Sie ist soweit.
    Kahuna - Koī steht auf, nimmt seinen lei aus ti -Blättern, den er aus seiner Hütte mitgenommen hat und bei Heilzeremonien stets trägt, in beide Hände. Er spricht über den lei ein Bitt-Gebet und hängt es sich um. Dann sucht er ein paar Steine, die er zu einem großen Kreis legt. Einen Platz lässt er frei. Er versenkt sich und ruft dann die Ahnen herbei und bittet sie, Alēi’na zu unterstützen, ihr Beistand und Schutz zu geben. Dann bittet er die Götter um ihren Beistand um diesen Kreis herum und setzt sich in den Sand, mit etwas Abstand zu dem Kreis und mit etwas Abstand zu Alēi’na .
    Der Kahuna sieht, dass es in der jungen Frau arbeitet, lange. Er lässt sie. Dann steht sie auf und geht am Wasser entlang, schneller und immer schneller. Sie fängt an zu laufen, zu rennen, rennt einen Bogen, rennt zurück, rennt einen Bogen, läuft am Wasser entlang, im Wasser und fängt an laut zu rufen und sie läuft um den Kreis der Steine und sinkt an der Stelle zu Boden, die der Kahuna freigelassen hat.
    Sie wirft ihre Arme und Hände zum Himmel und beugt sich nach vorn und schlägt ihre Hände an ihre Brust und weint verzweifelt. Dann redet sie, redet ihr Leid heraus, zu ihren Eltern, beschimpft sie, dass sie sie allein gelassen haben, schreit sie an, erzählt laut, was sie erlebt hatte, bittet sie um Verzeihung und dankt ihnen, dass sie sie hierher gebracht haben, an diesen schönen und sicheren Ort. Dass sie sie schrecklich vermisst hat, all die Jahre, und dass sie nun glücklich ist, weil sie weiß, dass sie doch bei ihr sind.
    Dann sitzt sie eine Weile ganz still.
    Mit einem mahalo aus tiefstem Innern, steht sie auf, geht zu dem naupaka -Busch und zupft zwei Blüten ab. Sie geht zurück in den Steinkreis, geht von Stein zu Stein, verweilt kurz davor und bedankt sich. Zwischen die letzten beiden Steine legt sie die zwei ganzen halben Blüten so, dass sie zu einer ganzen Blüte werden, streichelt die Steine und sagt: „Ich weiß es jetzt, dass ihr da seid. Ich sehe euch nicht, aber ihr seid dennoch da und ich bin nicht allein“, und zu Kahuna - Koī sagt sie: „Neben meiner Hütte werde ich einen Altar bauen für meine Eltern.“
    Er nickt.
    „Der letzte große Schritt heute ist die Reinigung. Das Meerwasser schmeckt ähnlich wie unsere Tränen. Beides reinigt. Deine Worte und deine Handlung waren tief und aufrichtig. Die Tränen haben deine Trauer und deine Wut herausgespült. Nun bade deinen Körper im reinigenden Wasser des Meeres. Ich begleite dich mit Gebeten.“
    Beide gehen ins Wasser, bis es etwa zu den Hüften reicht. Der Kahuna füllt eine große Muschelschale mit Meerwasser und gibt ein fein gemahlenes, gelbliches Pulver hinzu. Mit ti -Blättern schöpft er diese Mischung und besprengt Alēi’na , während er Gebete aufsagt. Dreimal taucht sie ganz unter, während der Kahuna betend um sie geht, um sie von allen Seiten zu besprengen. Die Muschel setzt er abschließend wie ein Boot auf das Wasser und lässt sie fort schwimmen, bis sie irgendwann versinkt.
    Er dankt Kanaloa , dem Gott des Meeres, und beide gehen wieder an Land.
    Der Kahuna geht zu dem Steinkreis, bedankt sich bei allen Gottheiten und bei Alēi’nas Ahnen und trägt die Steine wieder zurück.
    Eine Weile sitzen sie schweigend. Schweigend gehen sie den Pfad zurück zu Kahunas Hütte, trinken schweigend frisches Wasser aus einem

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