Das Vermaechtnis
sich leichter. Sie ist schon eine Meisterin, so fein schlägt sie die Rinde. So ausdauernd ist sie, so unermüdlich. Das bewundere ich an ihr. Sie sagt, ihre Ahnen sagen ihr, wann sie am besten die wauke -Rinde schält, wie lange sie diese – manchmal nimmt sie auch die mamaki -Rinde, aber besser ist die wauke -Rinde – wie lange sie sie im Meer einweichen soll. Sie geben ihr genaue Anweisungen, wann sie sie trocknen und in der Sonne bleichen, dann wieder im klaren Bachwasser einweichen und dazwischen immer wieder schlagen soll. Sie weiß, wie weit sie die Rinde durch das Klopfen ausdehnen kann. Immer schlagen, schlagen, schlagen. Es dauert sehr, sehr lange, bis es ein schöner Stoff wird.“
„Das ist eine sehr mühsame Arbeit, aber du kannst durch sie auch viel lernen. Viel von unseren Ahnen, von ihrem Wesen und ihrer Arbeit. Sie können zu dir sprechen, während du das kapa schlägst.“
„So weit bin ich noch nicht, aber Elieano’o ruft jeden Morgen, bevor wir mit der Arbeit beginnen, die Ahnenschutzgeister des kapa , Lauhiki und Lau’ahana und bittet sie um ihre Hilfe. Sie hat einen kleinen ihnen geweihten Altar vor sich stehen. Ich glaube, sie helfen wirklich, denn die Zeit vergeht sehr schnell, wenn man in seine Arbeit versunken ist.
Es ist mein erstes kapa . Ich bin lange noch nicht fertig. Ich habe von Anfang an alles so gemacht wie sie, doch ich habe den Eindruck, dass ihre Fasern schon viel geschmeidiger sind und sich schon viel mehr verbunden haben als meine. Sie macht es auch schon recht lange. Wir sitzen im hinteren Teil ihrer Hütte, meist mit ihrer Mutter, von der sie diese Arbeit gelernt hat. Sie machen nichts anderes. Es ist eine lange Arbeit für etwas, das manchmal nur einen Mond lang hält. Ich überlege immer schon, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, es mit anderen Fasern zu verbinden, um eine stärkere Festigkeit zu erzielen. Aber ich glaube, das haben die Vorfahren auch schon ausprobiert. Ich werde mit meinem Umhang ganz vorsichtig umgehen. Und dann wollen wir das kapa noch färben. Meinen werde ich mit kokio -Blüten verzieren. Vielleicht schnitze ich mir dazu unterschiedlich große Stempel, damit ich ein schönes Muster aufdrucken kann.“
„Eine gute Erfahrung ist diese Arbeit. Sieh hier auf dem Boden, die alten Früchte des kou -Baumes…“
„Am Strand hinten habe ich auch einen stehen sehen. Kann das sein? Er hatte auch diese orangefarbenen Blüten.“
„Genau, an der Stelle, wo auch die aeae über Sand und Steine wächst mit ihren kleinen weißen Blüten. Von der aeae gibt es viele Sorten. Hier…“ Alēi’na unterbricht ihn wieder und Kahuna - Koī hebt die linke Augenbraue.
„Warum sagst du mir nicht gleich dazu, welche Pflanzen als Heilpflanzen dienen, und wofür oder wogegen? So viele Pflanzennamen auf einmal kann ich mir gar nicht merken.“
Der Kahuna bleibt jetzt stehen und sieht sie ernst an, was recht selten vorkommt.
„Der Name ist wichtig, damit wir wissen, von welcher Pflanze wir sprechen, wenn wir sie nicht direkt vor Augen haben. Alles andere wirst du nach und nach selbst ergründen und erspüren. Wie ein Wasserfall kommen deine Fragen über mich. Wenn ich dir alle Fragen ebenso beantworten würde, würdest du in wenigen Tagen wieder fast alles vergessen haben. Du wirst sie selbst erfahren, die Pflanzen, eine nach der anderen. Du plapperst unentwegt. Dein Mund ist fleißig und deine Augen auch. Doch du hast noch mehr Sinne und die kannst du nur erfahren, wenn du ruhig bist, wenn du siehst, riechst, hörst, schmeckst und fühlst, ohne dich mit dem nächsten Gedanken wieder davon abzulenken. Du machst alles, schnell, und schon folgt das nächste – du siehst das Richtige, das versteh bitte nicht falsch, doch sogleich siehst du schon etwas anderes und gedanklich hüpfst du schon zum übernächsten.
Ruhe, Alēi’na -Feuerfischfrau, Ruhe ist eine große Kraft, aus der du schöpfen kannst. Lerne zunächst die Ruhe in allem und du wirst sehen, dass unsere Mutter Erde und Kane , Lono , Ku und Kanaloa , Kumulipo , und Milu , die verschiedenen Götter der Winde und die vielen Götter des Wassers, der Tiere, der Pflanzen, Pele und all die anderen Götter in allem um uns herum dir ihr Geheimnis erzählen werden. Ruhe und Geduld. Alles zu seiner Zeit.
Öffne deine Sinne für all die Botschaften um dich herum! Wissen kommt nicht an einem Tag, auch nicht in einem Jahr, sondern dein Leben lang zu dir!“ Er lächelt sie an, geht langsam weiter und fängt
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