Das Vermaechtnis
aus einem schlammigen Urhügel aus dem Urgewässer Nun , von Tameri aus gesehen etwa im Delta des Nil gelegen. Und schon geht es los. Es existieren gleich die unterschiedlichsten Auffassungen, was es mit dem Urhügel so auf sich hatte, wie es weiterging, denn fast jede Stadt behauptete ihren eigenen Urhügel zu besitzen – so waren sie, die Menschen. So sind sie auch heute noch.
Ich schildere kurz jene, von denen man am meisten erzählte.
Aus den endlosen Wassermassen stieg also der Schöpfungsgott Atum empor und ließ sich auf dem Urhügel nieder. Der Urhügel empfing vom Schöpfergott Thot ein Ei, dem die junge Sonne entsprang und zum Himmel aufstieg. Danach rangen verschiedene, tiergestaltige und furchterregende Gottheiten um die Vorherrschaft auf Erden, bis sich eine gültige Weltordnung einstellte. Denn wie ihr wisst, kann jede Gottheit neben einer anderen existieren, im Prinzip.
Streit gibt es eher selten. Wenn, dann gibt es eine Einigung, denn wenn Streit ist, so ist er, und auch er hat seinen Sinn. Ein friedliches Nebeneinander stellt sich bei uns schnell wieder ein, dank Ma’at , der Göttlichen Ordnung . Jeder findet ohne Sorge wieder seinen Platz. Wir sind schließlich Götter. Sind wir noch jung, können wir uns auch ereifern und sind wir älter, sind wir weiser und erhaben über jugendliches Feuer. Ist es nicht so?
Ist man Hauptgott, ist es gut, ist man Stadtgott, ist es gut, ist man Gott für die Fruchtbarkeit, ist es gut, ist man Gott für das All, ist es gut, ist man Gott für ein Sandkorn, ist es auch gut. Es ist eben so, wie die Menschen uns sehen und brauchen.
So sind wir, und so ist es gut. Wir sind viele – dennoch sind wir eins. Denn unsere Vielfalt hat einen Ursprung. Gut und böse gibt es bei uns nicht, auch wenn es so den Anschein hat, wir sind eben einfach verschieden, und jeder hat seinen Sinn.
Mancherorts wird von dem menschengestaltigen Stadt- und Schöpfergott Ptah von Memphis erzählt, der die Welt durch die ihm innewohnende Kraft entstehen ließ. Sein Herz brachte die Erkenntnis in die Welt, seine Zunge schuf durch Worte die Elemente der Schöpfung, aus der dann die Welt hervorging. Was durchaus auch möglich ist. Das eine muss das andere auch nicht ausschließen.
Gepriesen seiest du Ptah , Schöpfergott der Stadt Memphis , der Schutzpatron der Handwerker und Künstler, vor allem der Steinmetze, die eine große Verehrung für dich hegen.“
Eine Art mumifizierter Mann mit einem Zepter in seiner freien Hand nickt dankend Richtung Re . Re fährt fort:
„Die Schöpfungsgeschichte von Lunu [9] gefällt mir persönlich am besten. Meine Meinung kann ich ja gern kundtun, denn ich bin ein Gott.
Bevor der Himmel existierte, bevor die Erde existierte, bevor der Mensch existierte, bevor der Tod existierte, gab es nur Nun , das Urwasser. Der Schöpfergott Atum erhob sich als erster der Götter aus dem chaotischen Urwasser Nun . Atum erschuf einen Urhügel. Auf diesem setzte er sich nieder und so ward Lunu – die Stadt der Sonne.
Atum erschuf mit seinem Schweiß und seinen Tränen die vier Elemente: Luft und Feuchtigkeit, Himmel und Erde. Als Erstes erschuf er den Schöpfergott Schu , die Luft, und Tefnut , die Feuchtigkeit. Luft und Feuchtigkeit, das erste Götterpaar, zeugten das Geschwisterpaar Nut , die Göttin des Himmels, und Geb , den Gott der Erde. Mit Himmel und Erde war der Rahmen für alles Leben erschaffen. Die lebendige Welt konnte von nun an entstehen. Und so geschah es.
Nut und Geb zeugten vier Kinder, die das Leben und die Geschichte Tameris prägen sollten: Osiris und Isis , Seth und Nephtys .
Diese Schöpfungsgeschichte ist auch unter der Neunheit von Lunu bekannt. Die Neunheit , da von diesen neun Gottheiten alles Weitere entstand und Lunu , da die Bewohner von Lunu es waren, die die Entstehungsgeschichte als Erstes so erkannt haben, meinten sie jedenfalls. Von ihnen, den vier Geschwistern, Osiris , Isis , Nephthys und Seth , berichte ich gleich. Ich hätte mir einen Plan machen sollen, es fällt mir stets alles zugleich ein…“
Ma’at , die Göttliche Ordnung , nickt nur, schaut milde und sagt nichts.
„Einig sind die Menschen Tameris sich wieder hierbei: Der Mittelpunkt von allem ist der Nil. Tameris Bewohner waren abhängig vom Nil, denn links und rechts von ihm gab es ansonsten nur Wüste. Das Lebenswichtigste war daher das regelmäßig wiederkehrende Hochwasser des Nil, das das Land mit fruchtbarem Schlamm bedeckte. Sie bauten Kanäle und Dämme
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