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Das Vermaechtnis

Das Vermaechtnis

Titel: Das Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Bold
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    Das Bild war 1741 entstanden. Nach dem Massaker! Dabei hatte es doch damals keine Cameronfrauen mehr gegeben. Wer also war diese Frau? Sah ich hier vielleicht Isobel Cameron vor mir, meine Vorfahrin, von der Payton mir erzählt hatte? Oder war die Ähnlichkeit reiner Zufall? Die einzig weitere Erklärung, die mir einfallen wollte, drängte ich mit aller Macht zurück in die Tiefen meines Verstandes und hinaus aus dem Kreis des Möglichen. Ich weigerte mich schlicht, den Gedanken auch nur zuzulassen.
    Ich fluchte und blätterte mehrere Seiten auf einmal um, bis ich bei 1739 ankam. Das war zu früh, aber ich wollte nichts übersehen, also las ich alle Namen, die von da an die Seiten füllten. Meine Augen überschlugen sich, und ich musste manche Passagen mehrmals lesen, so aufgeregt war ich.
    Tatsächlich fiel mir der Eintrag erst bei der zweiten Durchsicht der Seite „Eheschließungen 1741“ ins Auge.
    „Heilige Scheiße!“, entfuhr es mir.
    Das Register wog mit einem Mal eine gefühlte Tonne, und wie in Zeitlupe entglitt es meinen plötzlich kraftlosen Fingern. Mein Blick hing noch an den Namen in dieser Zeile, als das Buch mit einem dumpfen Laut auf dem Boden aufschlug.
    Ich stand da und hielt die Luft an. Atmen erschien mir nach diesem Schock ein Ding der Unmöglichkeit, und schon begann sich die Welt, um mich zu drehen.
    Atme! Verfluchte Oberscheiße! Samantha Watts, du dummes Ding, atme, ehe du wieder einmal den Boden küsst!, rief ich mich selbst zur Ordnung, und mit bebenden Lippen folgte ich meinem eigenen schlauen Rat.
    Ich trat einen Schritt zurück, als wäre das lederne Register eine zischende Schlange, die nur darauf wartete, ihre giftigen Zähne in mein Fleisch zu schlagen. Und, obwohl von dem Buch keine wirkliche Bedrohung ausging, hatte mich das kalte Entsetzen gepackt.
    Hier zwischen diesen historischen Überlieferungen stand das Schicksal geschrieben. Ich war auf Beweise gestoßen – die ich ja immer für so verdammt hilfreich hielt. Aber wenn diese Zeilen tatsächlich ein Beweis waren, warum konnte ich dann trotzdem nicht glauben, was da schwarz auf weiß vor mir lag?
    Wieder schüttelte ich den Kopf und trat weiter zurück. Und noch weiter. Ehe ich mich versah, war ich durch die Tür hinaus auf die Straße geflohen und rannte, das Bild der lächelnden Braut vor meinem geistigen Auge, den Hügel hinab. Ich fischte mein Handy aus der Hosentasche und wählte, während ich atemlos die Autotür aufriss. Mein Blick hing an der Schachtel auf dem Beifahrersitz.
    „Ich bin’s … wir müssen uns sehen! Sofort!“

Kapitel 6
     

    Friedhof bei Auld a´chruinn, heute
     
    Der Boden unter seinen Füßen war feucht von dem Regenschauer, der vor einigen Stunden über den Gipfeln der Five Sisters of Kintail niedergegangen war. Alasdair legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel. War der Himmel bewölkt gewesen, so wie jetzt?, fragte er sich und versuchte, sich zu entsinnen. Dabei sollte es ihm nicht schwerfallen, sich zu erinnern, denn Nathairas Vision hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt.
    Alasdair schloss die Augen und schmeckte ihren längst vergangenen Kuss.

„Vertrau mir, Wikinger … der Schmerz wird uns genommen und unsere Zeit wird kommen. Wir werden wieder vereint sein“, hatte sie behauptet und ihm den Blick in die Zukunft geschenkt. Eine Zukunft aus Hölle und Verdammnis, Kälte und Einsamkeit, und dann …

Er öffnete die Augen. Nathaira hatte recht behalten. Er war heute hier, genau, wie sie es ihm prophezeit hatte. Bedächtig schritt er durch die eingefallene Friedhofspforte und ließ seinen Blick über die Gräber schweifen. Würde es so kommen, wie sie ihm gezeigt hatte?
    Wie ein Heer aus steinernen Soldaten hielten die Grabsteine ihre unendliche Wache über die Seelen der Verstorbenen. Ein würdiger Ort, um sich dem Schicksal zu stellen, wie er fand. Seine Hand auf dem Schwertknauf war entspannt. Es fühlte sich gut an, dem Ruf seiner Liebsten zu folgen. Sein Wikingerherz hatte viel zu lange seine Bestimmung verleugnet.
    Der Krieger in ihm jubilierte, wollte sein Schwert in den Himmel heben und sich mit einem Schrei in den Kampf stürzen. Als spüre das Universum sein unbändiges Verlangen, frischte der Wind auf und trug den unvergleichlichen Geruch der Highlands mit sich. Gras, Regen und der Hauch der Vergangenheit wehten über die Ufer des Loch Duich.
    Nathaira war wie der Wind gewesen. Keine sanfte Brise, sondern ein tosender Sturm.

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