Das Vermaechtnis
Doppeltür in die große Halle. Sicher hoffte er, unter den Bänken Essensreste zu finden, und, wie Payton sich erinnerte, standen die Chancen auch ganz gut.
Er selbst hatte es nicht so eilig. Sein Blick ging die Stufen hinauf, folgte dem massiven Handlauf aus weißem Stein in den Wohnbereich. Er wusste, was er dort vorfinden würde. Sein verlassenes Gemach. In seiner Erinnerung konnte er sehen, wie er vor Jahrhunderten von der Schwärze des Fluchs erdrückt wurde, selbst nachdem er Burragh verlassen hatte.
Zu Fäusten geballt sollten seine Hände ihr Zittern verbergen, als er der Stimme folgte, die aus der Halle an sein Ohr drang. Es war eine vertraute Stimme, die alles in ihm zum Vibrieren brachte.
Schritt um Schritt ging er näher. Er roch schon die frischen Binsen, die auf dem Boden verstreut waren. Nanny MacMillan bestand darauf, dass getrocknete Kräuter darunter gemischt wurden, die einen angenehmen Duft verströmten. In der Tür blieb er stehen und rang um Fassung.
„Sie hat es mir gestohlen, Mylord. Gestohlen! Einem Mann Gottes ins Gesicht zu lügen und sein Pferd zu rauben, ist … es gibt kein Wort, welches dieser ehrlosen Tat gerecht wird!“, hörte Payton jemanden schimpfen, aber er hatte nur Augen für den weißhaarigen Mann, der sich die Klage geduldig und interessiert anhörte. Fingal McLean. Das Oberhaupt des Clans, der Laird von Burragh – sein Vater.
Payton blinzelte, weil ihm plötzlich die Augen brannten.
„Vater!“, wollte er rufen, aber er wusste nicht, wie – oder mit welchen Worten er die Kluft, die der Fluch verursacht hatte, überbrücken konnte.
Wie in Trance schritt er auf den Mann zu, der am Ende seines Lebens nur noch wenig Zuneigung für seine unter dem Fluch stehenden Söhne empfunden hatte. Kein Wunder, hatte er doch darauf bestanden, eine friedliche Lösung für die Fehde zu finden. Payton hätte verzweifeln können, wenn er daran dachte, wie nah sie damals dem Frieden schon gekommen waren. Eine Ehe mit einer Cameron … wenn sein Vater geahnt hätte, dass er sich in Samantha verliebt hatte … Es war müßig, sich Gedanken darüber zu machen, was hätte sein können. Was zählte, war ihre blutige Tat – gegen den Willen des Vaters.
„Mein lieber Herr Vikar“, beschwichtigte Fingal den Kläger. „Solltet Ihr nicht in der Kapelle knien und um die gesunde Rückkehr des Mädchens beten, anstatt dieses Geschrei um Euer Pferd zu machen? Beruhigt es Euch, wenn ich jemanden ausschicke, sie … und natürlich Euer Tier zu suchen?“
Der Gottesmann wand sich verschämt und konnte dem Laird kaum in die Augen sehen, kniff aber immer noch unversöhnlich die Lippen zusammen.
Fingal richtete Hilfe suchend den Blick nach oben, als säße Gott im Gebälk der Halle, gab sich aber geschlagen, als von dort kein Wunder zu erwarten war.
„Nun nehmt einen Krug Wein, esst einen Happen und seid Gast unter meinem Dach, bis sich diese ganze Sache aufklärt.“
Widerwillig tat der Vikar, wie ihm geheißen, und schlurfte zu einer Bank, an der schon Männer zum Essen beisammensaßen.
Payton sah seine Chance gekommen. Mit einem tiefen Atemzug machte er sich ein letztes Mal Mut und ging auf seinen Vater zu, als ihn ein Schlag auf die Schulter taumeln ließ.
„Schon zurück, bràthair ? Der Stallbursche Mason hat gesagt, sie haben dir dein Pferd gestohlen?“
Seans freundschaftlicher Schulterklopfer hätte ihn beinahe der Länge nach in die Binsen befördert, aber der Schreck, ihm hier zu begegnen, war es, was ihm wirklich zusetzte.
Sean sah so anders aus. Hart. Wie ein echter Krieger. So kannte er seinen Bruder nicht mehr. Als würde die Zeit ihn im Verlauf der Jahrhunderte weichspülen. Was jedoch nicht nachlassen würde, war sein wacher Geist. Payton erkannte schon am Blick seines Bruders, dass dem etwas komisch vorkam.
„ Ifrinn ! Und was ist mit deinem Haar passiert?“
Paytons Hand fuhr zu seinen kurzen Strähnen. Wie Sean hatte er zu dieser Zeit sein Haar länger getragen, und es kam seinem Bruder natürlich merkwürdig vor, ihn nun mit kurzem Haar vor sich zu sehen. Zudem hatte Seans Geschrei Fingals Aufmerksamkeit erregt. Der Laird hatte seine Fäuste auf den Tisch gestemmt und sah mürrisch zu ihnen herüber.
Payton zögerte. Sollte er Sean antworten, oder …
Der Ausdruck in den Augen seines Vaters veränderte sich. Kurz – nur einen Moment – glaubte Payton, darin so etwas wie Hoffnung gesehen zu haben, ehe Gleichgültigkeit das Einzige war, das er ihnen zeigte.
Er
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