Das Vermaechtnis
verstand seine beeindruckende Ausstattung auch gekonnt einzusetzen.
Ich umschlang meine Knie mit den Armen und legte meinen Kopf darauf. Ich fühlte mich einsam und wünschte mich zurück in unsere Wohnung, auf die Couch, zu Payton und unseren kleinen, unbedeutenden Problemen. Und zum ersten Mal, seit ich durch das Zeitportal gegangen war, verspürte ich Zweifel.
Sicher, ich hätte mich Alasdair auf dem Friedhof nicht widersetzen können, aber – wenn ich ehrlich war –, hatte ich diesen Schritt ja selbst in Betracht gezogen. Wochenlang war die Idee, Payton schon früher aus dem Fluch zu erlösen, um meine Schuld zu sühnen, in meinem Kopf gereift. Ich hatte sogar geglaubt, zur Not ohne Payton weiterleben zu können, wenn nur die unerträgliche Schuld seines jahrhundertelangen Fluchs nicht länger auf mir lasten würde.
Ich kaute auf der Innenseite meiner Wange herum und spürte Angst in mir aufsteigen. Was würde ich denn eigentlich tun, ohne die Couch, oder die Wohnung? Oder, noch schlimmer, ohne den wunderbaren Mann, mit dem ich dort gelebt hatte? Was, wenn sich mein Versuch, den Fluch zu brechen, als riesiger Fehler herausstellte? Hätten wir nicht einfach unser Glück festhalten müssen, so, wie es Alasdair und Nathaira auch hätten tun sollen, ehe ihre Taten sie gegenseitig verraten hatten?
Was, wenn es bereits zu spät war, mir darüber noch Gedanken zu machen? Ich hatte immer angenommen, Vanoras Antlitz würde sich in den Wolken zeigen und grelle Blitze das Ende des Fluchs einleiten, weil es in Delaware genau so geschehen war. Aber was, wenn ich mich irrte?
Ich kam auf die Beine, klopfte mir den Staub vom Kleid und floh durch die Büsche.
Scheiße! Alasdair und Nathaira liebten sich und fühlten ganz offenbar jedes kleinste Detail ihrer Flussplanscherei. War dies nur meiner Anwesenheit zu verdanken? Oder war der Fluch längst gebrochen? Wenn dem so war, wo war dann Payton, und wie ging es ihm dabei? Gab es den Payton in meiner Wohnung, auf meiner Couch, überhaupt noch?
Ich stolperte in der Dunkelheit herum, kam kaum vorwärts und war vermutlich meilenweit zu hören. Aber das Einzige, was zählte, und von dem ich mich nun – egal, was geschehen mochte – nicht mehr abbringen lassen wollte, war, Payton zu finden. Oder mich von ihm finden zu lassen, vorausgesetzt der Vikar hatte ihn dazu gebracht, überhaupt nach mir zu suchen.
Ich griff nach meinem Dolch, um mich sicherer zu fühlen, als sich ein Arm brutal um meinen Hals legte und ein krummes Messer unter meiner Brust in den Stoff meines Kleides schnitt.
„Hallo, Liebchen, hast wohl Lust auf einen Schwanz, oder warum schleichst du mir nach, wenn ich zum Pissen in die Büsche gehe?“
Der faulige Atem, der über meine Wange strich, ließ mich würgen, und ich betete, das harte Ding, das sich mir gegen den Oberschenkel drückte, möge eine weitere Waffe sein.
Payton McLean, jetzt wäre ein wirklich guter Zeitpunkt, in heroischer Weise zu meiner Rettung zu eilen.
Payton spürte die Hand seines Vaters auf der Schulter, aber wagte es nicht, sein gesenktes Haupt zu heben. Noch immer tropfte das Blut aus dem Schnitt an seiner Hand und färbte die Binsen. Es schien, als hätten sie das Universum ausgesperrt. Als gäbe es nur sie beide: Vater und Sohn. Die Sekunden verstrichen, und Paytons Herzschlag schien eingefroren. Sein Leben stand still, als verwandelte er sich zu Stein. Er fühlte, wie die Kälte sein Blut verdickte und seine Haut zu Marmor werden ließ, denn Fingal schwieg beharrlich.
Paytons Schultern sackten nach vorne. Es war vergeblich. Gnade hatte er nicht verdient – und würde sie auch nicht bekommen. Ein weiterer dicker Bluttropfen lief über seine Hand und fiel wie in Zeitlupe zu Boden.
„Bitte, Vater“, flüsterte er verzweifelt. Er wusste nicht, wohin mit seinem Schmerz, als Fingal neben ihm zu Boden sank, Paytons Gesicht in seine Hände nahm und ihn damit zwang, ihn anzusehen. Fingals Augen waren feucht, seine Stimme ungewohnt zittrig.
„Ich bin ein alter Mann, der am Ende seines Lebens feststellt, dass er seinen Söhnen ein schlechtes Erbe hinterlassen hat. Ich war nicht stark genug, euch zu führen und ließ euch blind ins Verderben rennen. Mein Sohn, es gibt nichts zu verzeihen, denn ihr wart ungestüme junge Männer und wolltet euch im Kampf einen Namen machen.“
Er sah zu Sean hinüber, der reglos die Szene beobachtete. „Ich kann euch nicht mehr in die Augen blicken, weil die Schuld für euer Leid bei mir
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