Das Vermaechtnis
Schluck Whisky.
„Mir wollte – und will auch heute nicht – in den Kopf, warum wir uns lieber die Schädel einschlagen, als uns zusammenzutun. Ein Bündnis, welches das Blut unserer Clans vermischt hätte, wäre ein Zeichen des Friedens und einer harmonischen Zukunft gewesen.“
Fingal war blass. Payton konnte ihm ansehen, wie viel ihm dieser Traum bedeutet hatte. Er war damit gescheitert, und das hatte den alten Mann gebrochen.
„Stattdessen habe ich nun meine Söhne an einen Fluch verloren“, murmelte er traurig.
Sean trat zu seinem Vater und legte ihm die Hand auf die Schulter.
„Vater, du hast uns nicht verloren. Der Fluch kostet uns weniger, als unsere Tat den Feind gekostet hat. Wir leben, wenn auch nicht wie zuvor. Wir sind losgezogen, um zu kämpfen. Als wir davonritten, war jedem von uns klar, dass wir vielleicht nicht zurückkehren würden. Wir waren bereit zu sterben, als wir unsere Schwerter hoben. Ich bereue unsere Tat, obwohl ich keine Reue empfinde. Ich weiß, was wir getan haben, war falsch. Aber wäre es mir lieber, mein Gegner hätte mich besiegt, ehe ich mich dieser schrecklichen Tat schuldig gemacht habe? Nein.“
Sean zuckte die Schultern. „Dieses Leben gibt für mich nichts mehr her, aber du hast Payton gehört. Wir haben eine Zukunft jenseits dieser bloßen Existenz. Daran will ich festhalten. Ich weiß nicht, wie ich all die Jahre überstehen soll, aber immerhin lebe ich, Vater. Ich wusste, was ich tat, als ich in Castle Coulin einfiel. Ich hadere nicht mit meinem Schicksal.“
„Aber du wirst dich nie vermählen, nie eine Familie gründen“, widersprach Fingal.
„Vielleicht in der Zeit, aus der Payton zu uns gekommen ist“, versuchte Sean, seinen Vater zu beschwichtigen.
Fingal sank zurück in seinen Sessel.
„Ich werde es jedenfalls nicht erleben, dass meine Söhne ihr Glück finden“, murmelte er.
„Wenn ich mein Glück finde – dieses impulsive amerikanische Gör –, dann drehe ich ihr den Hals um!“, schwor Payton und erhob sich.
Es hatte gut getan, sich seinem Vater und Sean anzuvertrauen, ihnen die ganze verrückte Geschichte zu erzählen und festzustellen, dass er all die Jahre die Verachtung durch seinen Vater falsch gedeutet hatte. Heute Vergebung zu erlangen, war ein unermessliches Geschenk. Trotzdem wollte er keine weitere Sekunde mehr vergeuden. Er musste Sam finden, ehe sie sich mit ihrem Leichtsinn noch in Gefahr begab.
„Ich hätte mein letztes Hemd darauf verwettet, dass sie hierherkommen würde“, überlegte er laut.
„Hier ist sie nicht. Der Einzige, der hier ankam, war der Vikar, der anscheinend gerne mal einen über den Durst trinkt, wie mir scheint.“ Sean lachte. „Er hat behauptet, eine Dirne aus Craig Liath Wood hätte ihm zusammen mit Nathaira Stuart sein Pferd gestohlen.“
Fingal schnaubte ungläubig.
„Da fällt mir ein, dass er bei seiner Ankunft nach Payton … äh, dem anderen Payton … gefragt hat. Was er wohl von dir … ähm … ihm wollte? Ich gab ihm jedenfalls mein Wort, jemanden nach dem Weiberrock suchen zu lassen.“
Paytons Hände verkrampften sich um das Glas.
Er wusste, wie sich der Moment vor einer Schlacht anfühlte. Das Herz pochte so hart, dass es die Rippen zu sprengen drohte. Der Schweiß, der einem am Rücken ausbrach, war kalt und verströmte den Geruch von Angst. Die Muskeln waren gespannt wie ein Bogen und würden ebensolche Kraft freisetzen, sobald man bereit dazu war. Und der Blick – der Blick heftete sich nur auf eines: den Gegner. Als filtere das Gehirn alles Weitere aus. Als gäbe es in diesem Augenblick nichts außer den einen Punkt, der einem noch scharf umrissen vor Augen stand, während die Welt um einen herum in grauer Unschärfe verschwamm.
Dies war so ein Moment, und nur Nathaira Stuart war in der Unschärfe auszumachen.
„Der Vikar … ich muss ihn sprechen! Sofort!“
Damit eilte er zur Tür und stürmte aus dem Raum, Sean ihm wie sein Schatten hinterher.
„Was ist los? Wo rennst du hin?“
„Die Dirne aus Craig Liath Wood … ist Sam!“, antwortete Payton zwischen zusammengepressten Zähnen.
Er blieb stehen und sah seinem Bruder in die Augen. Seine Angst musste Bände sprechen, denn Seans Hand wanderte wie von selbst an sein Schwert.
„Ich muss sie finden – und Sean, ich brauche ein schnelles Pferd!“
Kapitel 21
Fair Isle, 1741
Das Gebräu im Becher vor ihm hatte eine dunkle Farbe und verströmte einen bitteren Geruch. Payton fasste sich das Haar im Nacken mit
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