Das Vermaechtnis der Drachenreiter
ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. «
Jeod reckte den Hals, um zu sehen, welches Buch es war. »Ach ja, die Domia abr Wyrda. Vor einigen Jahren kam hier ein Mann durch und versuchte, es unten am Hafen an einen Trödler zu verscherbeln. Glücklicherweise kam ich gerade vorbei und konnte das Buch - und den Hals seines Vorbesitzers - retten. Er hatte keinen Schimmer, worum es sich handelte.«
»Sonderbar, Eragon, dass du gerade dieses Buch, ›Die Macht des Schicksals‹, herausgezogen hast«, sagte Brom. »Von allen Gegenständen im Haus ist es wahrscheinlich der wertvollste. Es beschreibt die gesamte Geschichte Alagaësias - angefangen bei der Zeit, lange bevor die Elfen hier landeten, bis vor wenigen Jahrzehnten. Das Buch ist sehr selten und das beste seiner Art. Als es geschrieben wurde, verdammte es der König als blasphemisch und ließ den Autor, den Mönch Heslant, auf dem Scheiterhaufen hin-richten. Ich wusste nicht, dass noch eine Ausgabe existiert. Die Schrift, nach der du fragst, stammt aus der alten Sprache.«
»Und was steht da?«, fragte Eragon.
Es dauerte einen Moment, bis Brom die Passage entziffert hatte.
»Es ist Teil eines Elfen-Gedichts und erzählt von den Jahren, als sie gegen die Drachen kämpften. Dieser Auszug beschreibt, wie einer ihrer Könige, Ceranthor, in die Schlacht zieht. Die Elfen verehren dieses Gedicht und tragen es regelmäßig vor, um nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Allerdings dauert es drei Tage, bis man alle Verse aufgesagt hat. Manchmal singen sie es so schön, dass selbst die Steine zu weinen anfangen.«
Eragon kehrte zu seinem Stuhl zurück, das Buch vorsichtig in den Händen. Es ist faszinierend, dass ein Toter durch diese Seiten zu den Lebenden sprechen kann. Solange dieses Buch existiert, bleiben auch seine Gedanken lebendig. Ob es wohl Informationen über die Ra’zac enthält?
Er blätterte in dem Buch, während sich Brom und Jeod unterhielten. Die Stunden vergingen und irgendwann begann Eragon einzunicken. Aus Rücksicht auf seine Erschöpfung sagte ihnen Jeod nun Gute Nacht. »Der Diener zeigt euch eure Zimmer.«
Auf dem Weg in den ersten Stock sagte der Mann: »Solltet Ihr etwas benötigen, so läutet den Glockenzug am Bett.« Er blieb vor drei Türen stehen, verneigte sich und verschwand.
Als Brom den rechten Raum betrat, fragte Eragon: »Kann ich mit dir reden?«
»Das hast du gerade getan, aber komm ruhig herein.«
Eragon schloss die Tür hinter sich. »Saphira und ich haben eine Idee. Ist es ...«
Brom schnitt ihm mit einer raschen Handbewegung das Wort ab und zog die Vorhänge zu. »Wenn man über solche Dinge redet, vergewissert man sich erst, dass man keine unerwünschten Zuhörer hat.«
»Entschuldigung«, sagte Eragon und schalt sich innerlich für seine Gedankenlosigkeit. »Ich wollte dich fragen, ob es möglich ist, ein Bild von etwas heraufzubeschwören, das man im Moment nicht sieht?«
Brom saß auf der Bettkante. »Du sprichst von der so genannten ›Traumsicht‹. Ja, es ist möglich und in manchen Situationen sehr hilfreich, aber es gibt einen großen Nachteil. Man kann nur Bilder von Menschen, Orten und Dingen heraufbeschwören, die man schon einmal gesehen hat. Wolltest du die Ra’zac erspähen, würdest du zwar sie, nicht aber ihren Aufenthaltsort sehen. Und es gibt noch andere Probleme. Sagen wir, du möchtest eine Buchseite sehen, die du schon einmal gelesen hast. Du hättest sie vor Augen, wenn das Buch aufgeschlagen wäre. Wäre das Buch geschlossen, während du es versuchst, würde die Seite schwarz erscheinen.«
»Warum kann man keine Gegenstände betrachten, die man noch nicht gesehen hat?«, fragte Eragon. Doch ihm wurde klar, dass die Traumsicht trotz ihrer Einschränkungen sehr nützlich sein konnte. Ob ich wohl etwas sehen könnte, das meilenweit entfernt ist, und magisch beeinflussen kann, was dort geschieht?
»Weil man wissen muss, was man betrachtet und worauf man seinen Geist lenken muss«, sagte Brom geduldig. »Selbst wenn man dir einen Fremden genau beschreibt, wäre es dir so gut wie unmöglich, mithilfe der Traumsicht sein Bild heraufzubeschwören, geschweige denn ein Bild von seiner Umgebung oder seinem Aufenthaltsort. Man muss mit eigenen Augen gesehen haben, was einem die Traumsicht zeigen soll. Beantwortet das deine Frage?«
Eragon überlegte einen Moment. »Aber wie macht man es? Beschwört man das Bild vor dem inneren Auge herauf?«
»Für gewöhnlich nicht«, sagte Brom
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