Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
einem Hellc zum Verwechseln ähnlich. – Nur dass sie keine Fuselfahne hat.«
Josie stopfte, erleichtert das müllstinkende Cape losgeworden zu sein, ihre roten Haare unter die Mütze und blinzelte durch die Sonnenbrille. »Verdammt, aber ich kann kaum noch etwas erkennen.« Unmutig schob sie die Brille hoch.
»Ich fürchte, die Sicht wird gleich noch schlechter«, gab Bianca zu Bedenken. »Es ist allerhöchste Zeit, die Außentür zu schließen.«
Arthur, der der Tür am nächsten stand, drückte sie sogleich zu, während er mit der anderen Hand schon die Taschenlampe hervorkramte.
Die Ratten wendeten sich geblendet ab, als das warme Licht den finsteren Raum erhellte.
»Das Freiheitslicht!«, rief Bernhard erschüttert.
»Wie schön es ist!« Bianca folgte verzückt dem Lichtstrahl, der golden über die schmutzigen Wände tanzte. »Oh, wie schön es ist!« Ihre Kugeläuglein glänzten. »Dykeron hat jedes noch so winzige Flämmchen vernichten lassen. Das kleine Licht der Trolle ist das Letzte.« Sie sah Arthur argwöhnisch an. »Ihr habt es doch nicht etwa gestohlen und in diesen Apparat gesteckt?«
»Aber nein, dieses Licht haben wir mitgebracht.«
Bernhards kleine Ohren vibrierten. »Aus der Welt der Dinge?«
»Ja«, sagte Arthur. »Aber jetzt sollte ich mich wohl besser auch in eine Ledermontur werfen.«
Er hatte kaum ausgesprochen, als sich klappernde Schritte näherten. Die Gefährten und ihre kleinen Begleiter erstarrten.
Arthur duckte sich hinter ein Fass, knipste die Lampe aus und legte sie neben sich.
Josie presste sich eng an die Wand. Dann wurde die Tür aufgestoßen und versetzte ihr einen kräftigen Schlag auf die Nase. Sie biss die Zähne zusammen, um nicht aufzujaulen. Mit klopfendem Herzen spähte sie durch einen Spalt in den Planken des alten Türblatts, das ihr Schutz bot.
Was sie sah, ließ sie ihren Schmerz sofort vergessen. Die Bandraoi! Ohne Frage, das musste die Hexe sein! Ungepflegte Kleider schlackerten an dem spindeldürren Körper einer wahren Vogelscheuche. Aus einem schmuddeligen Kragen wuchs der lange Hals eines Geiers, den ein kleiner, gelbhäutiger Kopf krönte. Ja, diese Schreckgestalt erfüllte wirklich alle Klischees von einer Hexe. Ihr zerfurchtes Gesicht trug eiskalte Züge, die ihre gekrümmte Nase und die stechenden kleinen Augen noch unterstrichen. Dem schmallippigen Mund schien ein herzliches Lachen unbekannt zu sein. Ihre ganze Erscheinung hatte etwas von einem fleischfressenden Reptil. Wachsam, gierig und unerbittlich.
Aber die Bandraoi war nicht allein. Zwei abgrundhässliche Gestalten begleiteten sie. Sie waren deutlich kleiner als die Hexe und besaßen da, wo eigentlich Nase und Mund sitzen sollten, spitze Schnäbel. Auf ihren Köpfen thronten zwischen ungewöhnlich lang gezogenen Ohren blutrote Mützen, die zu der grünlichen Hautfarbe der beiden in groteskem Kontrast standen. Sie sahen sich ungeheuer ähnlich, und wäre der eine nicht ein wenig größer als der andere gewesen, hätte man sie schwerlich auseinanderhalten können. Ihren diabolisch blitzenden Äuglein nach zu urteilen war mit ihnen nicht gut Kirschen essen. Ächzend schleppten sie sich mit einem nicht sehr großen Korb ab, wobei jeder ihrer kraftlosen Schritte wie Hufe klapperte, als trügen ihre Schuhe Eisenbeschläge.
Die Hexe leuchtete mit einer blau flackernden Fackel auf einen Strick unterhalb der Decke. »Tweedledee und Tweedledum!«, sagte sie barsch. »Knüpft sie an die Leine dort, die ketzerischen Tiere!« Ihre scharfe Stimme schnitt sich schmerzhaft in Josies Ohren. »In frischer Pestwurz fein geschmort, mit etwas Borsten-Miere, werden sie gewiss recht fein und als Pastete schmackhaft sein.«
Atemlos beobachtete Josie, wie die Rotmützen mit schleppenden Bewegungen etwas aus dem Korb zerrten. Es drehte ihr den Magen um, als die schlaffen Körper von zwei toten Ratten zum Vorschein kamen. Wie schrecklich! Wie mussten sich erst Bernhard und Bianca bei diesem Anblick fühlen?
Während die krallenartigen Finger Tweedledees und Tweedledums die Ratten an ihren eigenen Schwänzen ans Seil knoteten, blieb die Bandraoi in der Tür stehen und sah sich zufrieden um. Dann deutete ihre knochige Hand auf das Korbgefängnis der Schrate.
»Schafft dann die Schrätlein in die Küche und nehmt ihnen die Därme raus, auf dass nicht üble Bratgerüche verpesten mir das ganze Haus. Die Herzlein legt auf einen Teller, denn sie gebühren mir allein.« Sie schnalzte genüsslich mit der Zunge.
Weitere Kostenlose Bücher