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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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Bandraoi das jetzt gleich herausfand, waren sie in höchster Gefahr.
    Ahnungsvoll riss die Hexe die Tür auf und knallte sie mit einem gellenden Schrei gleich wieder zu. Ihre Augen traten hervor, als wollten sie aus den Höhlen springen. Dann japste sie nach Luft. »Beim Satan auch!« Ihre giftige Stimme überschlug sich. »Wem ist’s gelungen? – Wer ist klammheimlich eingedrungen? Wenn ich den Frevler krieg’ zu fassen, werd ich ihn mir zur Ader lassen.«
    Sie fuhr herum und blieb wie eine Salzsäule stehen.
    Josies Finger verkrallten sich zu steinernen Fäusten. Sie hatte ihn entdeckt! Die Hexe hatte Arthur entdeckt! Sie waren verloren!
    Mit einem in Granit gemeißelten Lächeln schritt die Bandraoi ohne Eile auf das Fass zu, hinter dem Arthur Zuflucht gesucht hatte. Der Junge regte sich nicht. Das Gesicht unter der Kapuze verborgen, verharrte er wie paralysiert in seiner kauernden Stellung, die es ihm unmöglich machte, an seine magische Waffe zu gelangen. Dann stand sie vor ihm.
    »Da haben wir den Schrätleindieb!«, säuselte die Bandraoi, und aus jeder einzelnen Silbe sprühte Gift und Galle. »Habt wohl die kleinen Racker lieb? So sollt Ihr auch ihr Schicksal teilen.« Ohne ein Auge von dem Ertappten abzuwenden, befahl sie ihre Gehilfen zu sich. »Kommt her und bindet ihn mit Seilen!«
    Lautes Wehklagen erinnerte sie daran, dass Tweedledum und Tweedledee ja noch an den Fleischerhaken zappelten. Wutschnaubend versetzte sie Arthur einen Fußtritt.
    »Steh auf, Troll, öffne deinen Mantel, ich mach mit dir nicht lange Handel. Rück mir flugs die Schrätlein raus, ich blas dir sonst das Leben aus!«
    Arthur erhob sich, als wären seine Beine mit Hafergrütze gefüllt. Josies Stirnader hämmerte, verzweifelt presste sie die Kiefer aufeinander. Arthur war so gut wie tot.
    Dass der vermeintliche Troll ihrer Aufforderung nicht schneller folgte, machte die Hexe noch wütender. Mit einer geharnischten Bewegung riss sie ihm das Cape herunter.
    Dann herrschte für einen endlosen Augenblick fassungsloses Schweigen. Selbst die Rotmützen stellten Strampeln und Gewimmer ein und gafften Arthur an, als wäre er soeben vom Mond gefallen. Im Gesicht der Hexe, das Josie nun im blauen Fackellicht wieder besser erkennen konnte, geschah eine völlig unerwartete Verwandlung. Ihr Zorn war weggeschmolzen wie Eis bei Tauwetter und hatte einem fast milden Ausdruck Platz gemacht, wäre da nicht dieser Blick gewesen. Ein hungriger, ja gefräßiger Blick, der Josie noch viel mehr ängstigte als all ihr Toben und Wüten.
    Arthur nutzte den Moment zu seiner Verteidigung. »Von – von kleinen Schraten weiß ich nichts«, sagte er mit rauer Stimme. »Ich bin vor den Wölfen weggelaufen – die Tür stand offen.«
    Die Bandraoi schien ihm gar nicht richtig zuzuhören. »Die Schrätlein …?« Sie verzog den schmallippigen Mund. »Die Schrätlein sind jetzt schlechtweg nichtig, jetzt sind ganz andre Dinge wichtig.« Sie umrundete Arthur mit der Miene eines Metzgers, der Schlachtvieh begutachtet.
    Josie hielt den Atem an. Würde sie die Lampe am Boden entdecken? Und das Schwert – steckte es noch unter Arthurs Jacke? Aber wie es aussah, bemerkte die Hexe weder das eine noch das andere.
    Als sie den Jungen von allen Seiten ausgiebig gemustert hatte, wackelte der kleine hässliche Kopf auf dem Geierhals erregt. »Ein Schepselknabe, welche Freude, welche lang ersehnt’ willkomm’ne Beute«, murmelte sie so zufrieden vor sich hin, dass Josie heiß und kalt wurde.
    Mit einem Blick, als wolle sie ihm mit dem Strahl ihrer Augen das Gehirn ausbrennen, baute sie sich vor Arthur auf. Ihre dürren Finger kramten aus den Rockfalten ein Beutelchen hervor und ließen es vor Arthurs Gesicht hin und herschwingen. Arthur schien sich den pendelnden Bewegungen nicht entziehen zu können. Schon nach den ersten Sekunden wirkte er wie hypnotisiert.
    Dann begann die Bandraoi, mit monotoner Stimme zu sprechen:
»Von Stund’ an seid Ihr angebunden.
Mit Haut und Haaren seid ihr mein.
Das alte Weib sei Euch entschwunden.
Ihr seht nur noch den schönen Schein.
Sein und Schein
und Schein und Sein
und Sein und Schein.
So soll es sein!«
    Damit legte sie Arthur, der ihr ohne Wimpernschlag reglos wie eine Schaufensterpuppe in die Augen starrte, das Beutelchen an einem geflochtenen Band um den Hals.
    Und nun geschah etwas höchst Seltsames. Josie traute ihren Augen nicht. Wie bei einer Wechselkarte, die je nach Blickwinkel ein lachendes oder ein weinendes Gesicht

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