Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
nach Frankreich als vertrauenswürdigen Mann empfohlen, der sich nach ihrer Ankunft um sie kümmern werde; daher waren sie auf das Angebot eingegangen.
»Mademoiselle«, sagte plötzlich eine raue Stimme von der Tür her und unterbrach ihre Gedanken. »Euer Vater erwartet Euch.«
Erschrocken drehte sich Éloise um und konnte nicht verhindern, dass ihr nach all diesen Tagen noch immer ein Schauer über den Rücken lief, wenn sie Honoré erblickte. Lautlos wie eine Katze war der Diener von Monsieur Robert hinter ihr aufgetaucht.
Honoré war der erste Schwarze gewesen, den sie je in ihrem Leben zu Gesicht bekommen hatte. Die Haut des Sklaven war so dunkel wie die heiße Schokolade, die am Place de Grève in Paris verkauft wurde, dazu war er mindestens zwei Köpfe größer als Éloise und seine Schultern waren sogar noch breiter als Tanguys. Wenn er sprach, blitzten die Zähne zwischen seinen Lippen wie ein gefährliches Raubtiergebiss auf. Monsieur Robert hatte ihn in den Hafen geschickt, um sie mit einer Kutsche abzuholen. Wie alle Sklaven vermied es Honoré, Éloise direkt anzusehen, weil es ihm verboten war. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass sein Blick ihr folgte, sobald sie den ihren von ihm abwandte. Die Art, wie er, ohne ein Geräusch zu verursachen, über die Dielen lief, war ihr unheimlich. Es erinnerte sie an die jagenden Luchse im Unterholz.
Über ihre Furcht hatte ihr Vater nur gelacht und gemeint, sie würde sich schon daran gewöhnen, schließlich sei es ihrer Mutter vor siebzehn Jahren auf der Hochzeitsreise nach Saint-Domingue genauso ergangen. Und auch sie habe sich irgendwann an den Anblick all dieser Schwarzen gewöhnt.
Aber nicht genug, um noch einmal hierher zurückzukehren , dachte Éloise bitter, als sie langsam die breite Holztreppe nach unten ging, während Honoré am oberen Ende stand und ihr nachsah. Steif wie eine Statue, da war sie sich sicher. Sein Blick brannte ihr im Rücken, und am liebsten wäre sie vor ihm davongelaufen. Aber das tat sie nicht. Er war nur ein Sklave, wovor sollte sie also Angst haben? Es war lächerlich.
Ihre Schritte hallten laut in der Stille des Flurs wider. Am Fuß der Treppe drehte sie sich noch einmal nach Honoré um, und zum ersten Mal in all den Tagen trafen sich ihre Blicke – und Éloise erschrak. Hastig machte Honoré mit der rechten Hand das Kreuzzeichen und senkte die Lider.
Der Sklave hatte sie angesehen wie einen Geist.
Eine nervöse Unruhe befiel sie. Nur mühsam konnte sie sich von ihm losreißen und weitergehen. Erst als sie im Flur ankam und seine Gestalt durch die breite Flügeltür verdeckt wurde, gelang es ihr, sich abzuwenden. Etwas an seinem Gesichtsausdruck hatte sie zutiefst verstört – mehr noch, als es die letzten Tage schon der Fall gewesen war. Ihr war nicht entgangen, dass sein Blick wie fieberhaft auf ihrer Kette mit der Münze gelegen hatte, und dieser Gedanke verursachte ihr eine Gänsehaut, ohne dass sie wusste warum.
Fröstelnd trat sie ins Freie, wo sie die Sonne und der Lärm der Straße mit voller Wucht trafen. In der gleißenden Helligkeit, die sie blendete, hoben sich dunkle Schemen gegen die flirrende Luft ab. Hinter der Kutsche zog der Menschenstrom vorüber, Geschwätz drang wie Summen an Éloises Ohr, und in der Ferne knallten Peitschenhiebe, die vielleicht ein Fuhrwerk antrieben.
»Beeil dich, Kind, alles wartet nur auf dich«, brummte ihr Vater mürrisch neben ihr und reichte Éloise die Hand, um ihr in die Kutsche zu helfen. Dabei hatte er die braunen Augen, die ihren so ähnlich sahen, unwillig ein Stück zusammengekniffen.
Als sie auf dem unbequemen Polster Platz genommen hatte und auch Tanguy eingestiegen war, klopfte ihr Vater mit dem silbernen Griff seines Degens gegen die Rückseite des Kutschbocks, und das Gefährt setzte sich rumpelnd in Bewegung.
Éloise warf einen letzten Blick zu dem Fenster im ersten Stock empor, in dem die Sonne die Glasscheibe zum Gleißen brachte und förmlich darin zu explodieren schien. Einen Herzschlag lang glaubte sie, dahinter einen Schatten wahrzunehmen, aber vielleicht war das auch nur Einbildung. Im blendenden Licht konnte man seinen Augen nicht immer trauen.
Die Sicherheit dieses Hauses blieb nun in Le Cap zurück, während ihr Vater sie tiefer ins Innere der Insel führte. Als wäre Éloise ein Gegenstand, den man willkürlich verrücken konnte. Von Frankreich an die Küste dieser gottlosen Insel und weiter hinein ins
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