Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
Vom Netzwerk:
Generation zu Generation weitergereicht wurde. In ihrer Vorstellung fügte sie die Namen ihrer Großmutter und ihrer Mutter hinzu – und ganz zum Schluss den ihren. Moma und Isa hatten diesen fatalen Plan schon erfüllt. Ein schauriger Gedanke erschütterte sie. War auch sie dazu bestimmt? Würde auch neben ihrem Namen einmal viel zu früh ein Kreuz stehen oder neben dem Namen ihres Liebsten?
    Eine Weile saßen sie schweigend nebeneinander. Jede wusste, was die andere dachte, und doch wagte keine, es auszusprechen.
    »Es könnte auch alles Zufall sein«, sagte Josie schließlich zögernd.
    »Es könnte auch alles Zufall sein«, wiederholte Amy, doch sie klang wenig überzeugt.

 
    Die jüngsten Ereignisse erschienen Josie dermaßen irreal, dass sie noch auf dem Weg zum Knickerbocker-Hotel zu träumen glaubte. Sie versuchte, sich in die Wirklichkeit zurückzuholen. Wirklichkeit war der Hot-Dog-Stand an der Ecke, der überquellende Mülleimer neben dem Hydranten, die Mutter, die einen plärrenden kleinen Jungen hinter sich herzerrte. Der Wind, der ihre Haare zerzauste, der tosende Lärm der Großstadt und der Gestank der Abgase. Wären ihr die vielen Eindrücke sonst lästig gewesen, war sie heute dankbar für die Normalität, die sie ausstrahlten. Trotzdem nahm sie alles nur durch eine Glasglocke wahr, in der ihre wirren Gedanken durcheinanderpurzelten. Was hatte das alles bloß zu bedeuten?
    Sollte sie Moma schreiben? Oder vielleicht doch besser anrufen?
    Aber musste es für Moma nicht ein Schock sein, so plötzlich von ihrer verschollenen Familie zu erfahren? Von dem, was der Stammbaum preiszugeben schien, einmal ganz abgesehen. Und was, wenn sich alles nur als Spekulation herausstellte, als ein Ergebnis ihrer überbordenden Fantasie? Nein! Zuerst musste sie sich Gewissheit verschaffen. Sie musste definitiv herausfinden, ob sie mit Amy verwandt war. Und sie hatte auch schon einen Plan. Sie tastete nach ihrer Jeanstasche. Ja, der Beutel war noch da!
    Josie hatte das Appartement kaum betreten, als auch schon ihr Vater hereinkam. Sie erschnupperte sofort, dass er nicht gerade gut gelaunt war. Tatsächlich hatte er sich über einen Kollegen geärgert, worüber er noch immer sehr aufgebracht war. Josie fiel es schwer, ihren eigenen Aufruhr zu verbergen. Sie bemühte sich, ihm geduldig zuzuhören. Es war sicher besser, mit ihrem Anliegen zu warten, bis er sich wieder beruhigt hatte. Die Anstrengung, die sie das kostete, entging Taddy jedoch nicht.
    »Sorry, Josefinchen«, entschuldigte er sich, nachdem er richtig Dampf abgelassen hatte. »Einen schönen Rabenvater hast du. Erst lass ich dich den ganzen Tag allein und dann jammer ich dir auch noch die Ohren voll. Wie ein alter Ehemann. Hab noch nicht mal gefragt, wie dein Tag war.«
    »Ganz okay«, sagte Josie. »Erzähl ich dir später. Wohin gehen wir essen?«
    »Was hältst du von Peking-Ente?«
     
    Das kleine chinesische Restaurant mit dem Namen Red Dragon bestand aus einem schlauchförmigen Raum, der sich tief in den Bauch eines älteren Gebäudes fraß. Ein roter, goldverzierter Glücksdrache von sicher sechs, wenn nicht acht Metern Länge schlängelte sich zwischen bunten, mit Quasten geschmückten Lampionleuchten unter der Decke entlang. Es roch säuerlich.
    Ein untersetzter chinesischer Kellner in einer pyjamaähnlichen Jacke nahm sie am Eingang in Empfang und führte sie mit einem in Stein gemeißelten Lächeln zu einem freien Tisch. Josie bestellte Eistee. Das Gratiswasser, das hier überall mit viel Eis serviert wurde, brachte sie einfach nicht hinunter, es schmeckte ekelhaft nach Chlor.
    Während sie aufs Essen warteten, prostete Taddy ihr mit seinem Bier zu. »Auf dich, Josefinchen. Und jetzt erzähl mal, was du heute getrieben hast!«
    Damit nahm er einen großen Schluck und sah sie erwartungsvoll an. Josie rührte mit dem Strohhalm in ihrem Glas und überlegte, wie sie anfangen sollte.
    »Ich hab heute ein Mädchen kennengelernt«, begann sie.
    »Ach?« über das Gesicht ihres Vaters ging ein überraschtes Leuchten. »Wie schön, dass du hier schon Anschluss gefunden hast.«
    »Es ist mehr als das. Amy ist …« Dann gab sie sich einen Stoß. »Also, es ist verrückt, ich weiß – aber Amy und ich haben etwas herausgefunden …«
    Besorgt die Miene ihres Vaters beobachtend, erzählte sie ihm von der Begegnung mit Amy, wobei sie wohlweislich ausließ, was Taddy ohnehin nicht glauben würde: die Sache von Edna und dem Tornado, dass Amy die Amsel

Weitere Kostenlose Bücher