Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
drahtige Fell. »Er ist riesig!«
»Weiß Gott! Irische Wolfshunde sind meines Wissens die größte Hunderasse der Welt. Und sicher auch eine der ältesten. Schon vor Urzeiten setzte man sie zur Jagd ein, sie sind nämlich sehr ausdauernde Läufer.«
»Kein Wunder bei den langen Beinen.« Josie grinste. »Jedenfalls muss man sich nicht bücken, wenn man ihn streichelt.«
»Er scheint dich zu mögen.« Der alte Herr lächelte. »Er hat ein ausgezeichnetes Gespür für Menschen. – In der isländischen Brennu-Njáls-Saga – du weißt ja, dass die alten Mythen mein Steckenpferd sind – wurde schon vor mehr als tausend Jahren ein irischer Wolfshund beschrieben. Da heißt es sinngemäß: Er wird deine Feinde anbellen, niemals aber deine Freunde. Er wird jedem am Gesicht ablesen, ob er gegen dich Gutes oder Schlechtes im Schilde führt. Und er wird sein Leben für dich lassen.« Er klopfte Wolfs Hals. »Ja, Irish Wolfhounds sind gute, treue Kameraden – immer ein Drama, wenn wieder einer an Altersschwäche stirbt. Aber ich kann mir ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen, deshalb muss auch immer sofort ein Nachfolger her. Von meiner Kindheit an gerechnet, ist Wolf nun bereits der sechste Hund, der mit mir das Leben teilt. Diese Hunderasse gehört zu Springwood Manor wie die Bibliothek. Schon meine Urgroßeltern hatten einen. Und alle hießen Wolf.«
»Na, ihr zwei!« Moma kam auf sie zu. »Maude hat das Frühstück für uns auf der Terrasse hergerichtet. Der Tee wird noch kalt.«
»Die gute Maude ist meine Haushälterin«, erklärte der Professor, ehe Josie die Frage, die ihr bereits auf der Zunge lag, stellen konnte. Der Duft von gebratenem Speck und Würstchen schwebte durchs Erdgeschoss und begleitete sie ins Freie, wo ein üppig gedeckter Tisch sie erwartete.
Die »gute Maude« hatte einiges von Rosalinde, wie Josie fand, als sie wenig später bei strahlendem Sonnenschein auf dem Freisitz frühstückten. Aaron O’Reardons Perle war nicht sehr groß. Ihr rundlicher Körper formte unter der blau-weiß gestreiften Kittelschürze weiche Schwünge. Ihre Züge waren derber als die der Zwergin, jedoch nicht unfreundlich. Josie roch Äpfel und Bohnerwachs, als Maudes raue, rote Hände eine geblümte Teekanne aus Wedgwood-Porzellan über ihre Tasse hielten. »An ólfaidh tú cupán tae?«
»Maude, Sie müssen mit dem Mädchen Englisch sprechen. Josie versteht kein Gälisch – auch wenn man sie mit ihren roten Haaren für eine Irin halten könnte.« Der Professor zwinkerte Josie zu.
Maude strich mit dem Arm verlegen eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht. »Möchtest du eine Tasse Tee?«, fragte sie auf Englisch.
»Danke, gern.« Josie schob ihr die Tasse hin.
Die Terrasse lag zwei Stufen erhöht über dem Niveau des kurz geschorenen, sattgrünen Rasens und erstreckte sich über die gesamte Länge des Gebäudes. Vier große Glastüren mit weiß gestrichenen Sprossen führten aus den Räumen des Erdgeschosses ins Freie. Schwere Tröge, üppig mit karmesinroten Pelargonien, lilafarbenen Petunien und blauen Lobelien bepflanzt, schafften einen fröhlich bunten übergang von den grauen Bruchsteinplatten zu einem Garten, wie in Josie noch nie zuvor gesehen hatte. Wirklich ein kleines Paradies, wie Moma vorhin gesagt hatte. Der Garten prunkte im Sommerkleid. Wicken, Cosmeen, Phlox und überall mannshohe Fuchsienbüsche, an der Hauswand kletterte eine rot-violette Rose. Eine sanfte Böe fächerte ihnen ihren lieblichen Duft zu.
Ein Rosenblatt landete auf Josies Teller. Sie nahm es in die Hand und betrachtete es überrascht. »Eigenartig, das sieht aus wie ein Herz.«
Der Professor sah sie verwundert an. »Die Blütenblätter von Rosen sind immer herzförmig, ist dir das nie aufgefallen?«
Josie schüttelte den Kopf und biss nachdenklich in ihren Toast.
Moma stellte ganz in Gedanken ihre Teetasse ab. »Ich weiß nicht«, sagte sie und zupfte nervös am Tischtuch. »Ich finde immer noch, dass man die Ereignisse nicht einfach auf sich beruhen lassen kann. Die Sache mit Edna ist schon mehr als beunruhigend. Und jetzt ist auch noch ihre Enkeltochter wie vom Erdboden verschwunden. Ich denke wirklich, wir müssen auf alle Fälle die Polizei einschalten. Das sind wir Amy schuldig.«
Josie verzog das Gesicht. Ihr graute vor dem Gedanken, Rede und Antwort stehen zu müssen. Aaron O’Reardon zuckte mit den Schultern. »Wenn es dich beruhigt, Dorothy, fahren wir eben nachher in den Ort zur Garda.« Er sah Josie an.
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