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Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Das Vermächtnis der Feen (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Feen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Endres
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»Hast du eigentlich ein Foto von Amy?«
    Josie schüttelte den Kopf. Dann kam ihr ein Gedanke. »Wo ist Amys Tasche?«
    »In der Diele, soviel ich weiß«, sagte ihre Großmutter.
    Josie lief ins Haus und wühlte aus Amys Sachen eine Schreibmappe heraus. Ungeduldig klappte sie sie auf. Gott sei Dank! Amy hatte trotz des Überraschungsbesuchs ihres Onkel die Familienunterlagen, die Aufnahme von Alan O’Leary sowie das Foto von sich und Edna eingepackt, genau, wie sie es ausgemacht hatten. Sie rannte zurück.
    »Amy und Edna!« Atemlos reichte sie Moma das Bild.
    Moma blickte es bewegt an. »Das ist also meine Halbschwester Edna.«
    Der Professor erhob sich, um über Momas Schultern zu blicken. »Die Ähnlichkeit ist wirklich verblüffend. Und das Mädchen könnte Josies Schwester sein. Gibt es eigentlich auch ein Foto von dem Mann, der für alles verantwortlich ist?«
    Josie zog das alte Schwarz-Weiß-Foto mit dem Porträt Alan O’Learys aus der Mappe.
    Moma nahm es mit zitternden Händen entgegen. »Er ist es. Es ist genau das gleiche Foto, das auch ich habe. – Was für eine verrückte Welt!«
    »Und hier ist der Stammbaum von Ednas Familie.« Damit legte Josie die Ergebnisse Alan O’Learys Familienforschung auf den Tisch.
    Schweigend studierten Moma und der alte Herr die Aufzeichnungen. Dann rückte der Professor seine Brille gerade. »Diese Molly …« Er zeigte mit dem Finger auf den Namen. »Eine Irin, sogar hier aus der Gegend. Sie ist nach Amerika ausgewandert. Das haben viele damals gemacht. Im 19. Jahrhundert herrschten fürchterliche Zustände in Irland, viele Menschen sind regelrecht verhungert.«
    Josies Finger sprang von Generation zu Generation. »Und seht mal – ist das nicht eigenartig?« Dann erklärte sie den beiden Erwachsenen, was Amy und ihr aufgefallen war.
    Als sie fertig war, sagte Moma leichenblass. »Josie hat recht, immer wenn ein Mädchen geboren wurde, passierte etwas Schreckliches. Keine der Frauen ist je glücklich geworden. Auch meine Mutter und ich hatten wenig Glück in der Liebe. Wenn man es nicht besser wüsste – würde man es für einen Fluch halten.«
    O’Reardon nahm die Brille ab und richtete sich auf. »Dorothy«, sagte er, und seine Stimme klang, als hätte er Schleifpapier gegessen. »Es sieht fast aus, als läge tatsächlich ein Fluch auf euch. Ein Fluch der Sidhe.«
    »Sidhe?« Josies Großmutter starrte ihn an. »Sind das nicht Feen?«
    Der Professor nickte. »Das Wort ist altgälisch und bedeutet Friede – aber auch Wind. Bezeichnet werden damit die Hügel, in der man Feen vermutete, aber auch das Volk der Feen selbst. Man schreibt S-i-d-h-e, spricht aber Schie . Die Sidhe sind Nachfahren der Túatha Dé Danann, eines magiebegabten Volkes, das von der Göttin Danu abstammt und in grauer Vorzeit das heutige Irland besiedelt hat. Später wurden die Túatha Dé Danann von einem gegnerischen keltischen Volk, den Milesiern, besiegt, worauf sie sich in den Untergrund zurückzogen, in Erdhügel zum Beispiel – die deshalb auch Sidhe-Hügel genannt werden – oder Raths, das sind viereckige Anlagen, von denen noch heute etliche in der Landschaft zu finden sind. Auf jeden Fall zog sich dieses geheimnisumwitterte Volk in eine andere Dimension zurück, in die Anderwelt. Im Lebor Gabála Érenn, dem Buch von Leinster  – einer Schrift aus dem 11. Jahrhundert – heißt es, die Sidhe seien sowohl Götter als auch Nicht-Götter. Soll wohl heißen, dass sie etwas dazwischen sind.«
    Moma runzelte die Stirn. »Glaubst du etwa, dass an diesem Mythos etwas Wahres dran ist, Aaron?«
    Aaron O’Reardon blickte sie ernst an. »An der Existenz und an den Zauberkräften der Sidhe zweifelten selbst die christlichen Mönche nicht, die die mündlichen Überlieferungen erstmals aufgeschrieben haben. Hier in Irland glaubten die Menschen bis in die jüngste Zeit noch an die Sidhe. Die Sidhe blieben nämlich stets in Berührung mit den Menschen, zumeist wohlgesonnen und hilfsbereit.« Er strich sich in einer unsicheren Bewegung über den Bart. »Doch gelegentlich wurden sie auch ungemütlich. Zum Beispiel, wenn sich ein Sterblicher mit einer der Ihren eingelassen hat. Solche Liebesverbindungen gingen meines Wissens immer tragisch aus.«
    Josie wurde heiß und kalt. »Dann war diese Molly so eine Fee?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Molly wurde 1820 geboren, ich vermute, das – nun, nennen wir es ein Problem …« Der Professor strich über das gelb gewordene Stück Papier.

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