Das Vermächtnis der Feen (German Edition)
Arthur zurecht, während er schon auf ihn zulief, um ihn wegzuziehen. »Du ruinierst ja die Schnitzereien!«
Eine ahnungsvolle Erregung überrieselte Josie. »Komisch! Ich meine, warum kratzt er ausgerechnet hier? Unterhalb der Uhr!« Ihr Blick tanzte die breite, mit Rosenranken verzierte Halbsäule aufwärts bis zum Zifferblatt. »Sieh nur!«, sagte sie mit bebenden Lippen. »Alle anderen Säulen sind viel schmaler. Warum hat man hier bloß so viel Regalplatz verschenkt?«
Wolf klopfte mit dem Schwanz auf den Boden und jaulte.
Josie seufzte. »Sieht aus, als wolle er uns etwas sagen. Wenn er doch nur sprechen könnte!«
»Wolf?« Arthur runzelte die Stirn, was Josie entging, da sie den Hund anstarrte, als wolle sie seine Gedanken lesen.
»Diese breite Säule …«, sagte sie bedächtig. »Ich meine, alte Häuser haben doch oft Geheimtüren.«
Arthur klopfte gegen das Holz. »Schwer zu sagen, klingt zwar massiv, aber …« Er schüttelte zweifelnd den Kopf.
Fiebernd tastete Josie die Schnitzereien ab. Gab es einen Riegel, einen Schieber, irgendetwas, das auf eine Tür hinwies?
»Warte!« Arthur rannte zum Schreibtisch. »Ich hole Onkel Aarons Leselupe. Vielleicht finden wir damit irgendwo einen verborgenen Riegel.«
Josie wartete nicht. Sie streckte sich hoch, so hoch sie irgend konnte. Obwohl ihre Schultern von der starken Streckung höllisch schmerzen, begann sie Blatt für Blatt, Rose für Rose zu untersuchen. Wolf war erneut aufgesprungen, jeder Muskel seines Körpers zitterte vor Erregung. Arthur, der befürchtete, der Hund könne erneut seine Krallen wetzen, hielt ihn, bereits die Lupe in der Hand, mit seinem ganzen Gewicht zurück.
Dann schien eine der Knospen unter Josies Fingern nachzugeben. »Da, die hier …!«, rief sie aufgewühlt, und versuchte die geschnitzte Blüte nach rechts zu drehen. Aber es tat sich nichts.
Völlig gegen seine Gewohnheit gebärdete sich Wolf wie ein Verrückter, heulte, warf den Kopf, bebte am ganzen Leib. Josie probierte es mit einer Linksdrehung. Wieder nichts!
»Verdammt!« Sie donnerte mit der Faust gegen das Schnitzwerk. »Autsch!« Und während sie sich noch die Hand rieb, enthüllte Springwood Manor sein Geheimnis.
Unter schaurigem Knarren sprang die Rankensäule zur Seite.
Wolf bellte. Ein dunkles, unmissverständlich Beifall bekundendes Bellen.
»Bloody hell!«, stieß Arthur aus.
Josies Gedanken brodelten. Wie konnte das sein? Konnte Moma hellsehen?
Arthur trat einen Schritt vor. »Ich werd verrückt! Er ist wieder aufgetaucht. Ist er nicht wunderschön?« Ehrfürchtig strichen seine Hände über einen länglichen Stein, der ihn um einige Zentimeter überragte.
»Der Ogham-Stein!«, presste Josie hervor.
Arthur tastete behutsam die eingekerbten Schriftzeichen ab. »Hat dir Onkel Aaron von Conall O’Reardon und dem Stein erzählt?« Josie nickte abwesend. Arthur ließ kein Auge von dem Fund. »Er ist unglaublich gut erhalten! Wahnsinn! Man hätte eigentlich schon viel früher darauf kommen können, dass er im Haus versteckt sein muss. Conall hat Springwood Manor um den Stein herumbauen lassen. Um das Kernstück des Hauses – die Bibliothek.«
Josie hörte ihm kaum zu. Im Pulsschlag ihres Herzens hämmerte ein Gedanke in ihrem Kopf. Der rechte Ort, das rechte Wort. – Der rechte Ort, das rechte Wort … »Der Stein ist der Schlüssel«, sagte sie erregt. »Ich muss unbedingt herausfinden, was daraufsteht.« Sie lief zum Couchtisch, wo ihre Großmutter die Bücher abgelegt hatte, mit denen sie ihre Recherche fortsetzen wollte. Kurz darauf saß Josie mit dem Band über Ogham-Steine auf dem Parkett. Sie schlug mit der Handfläche auf den Einband. »Ob wir es schaffen, damit die Zeichen zu entziffern?«
Arthur strich sich ratlos durch die Haare. »Weiß nicht, wird nicht leicht sein. Auch wenn wir die Buchstaben herausfinden. Der Text ist bestimmt altgaelisch – und um Orthografie haben die sich früher auch nicht geschert. Sicher sitzen wir in vier Wochen noch hier, wenn wir den Stein dechiffrieren wollen. Wir sollten auf Onkel Aaron warten. Der kennt sich mit der alten Sprache ganz gut aus.«
Josie legte enttäuscht das Buch beiseite. Wolf steuerte auf seinen langen Beinen auf sie zu und stupste sie so fest gegen die Brust, dass sie fast umfiel. »Was soll das, alter Knabe?«
Noch während sie sich entrüstet hochrappelte, wurde ihr klar, was der Hund von ihr wollte. Sie sprang auf und zog die Drachenfibel hervor.
»Was machst du da?«
Weitere Kostenlose Bücher