Das Vermächtnis der Feuerelfen
nicht.« Finearfin schüttelte energisch den Kopf. »Caiwen würde nie...«
»Doch, das würde sie«, fiel der Schwarze ihr ins Wort. »Nimeye ist grausam und durchtrieben. Sie schreckt vor nichts zurück. Vergiss nicht, dass der Bann nicht aus freien Stücken gelöst werden muss.«
»Du... du meinst«, mischte sich Heylon ein, »sie haben Caiwen gefoltert?«
»Damit müssen wir rechnen.« Der Schwarze schonte den Jungen nicht. »Nimeye ist wie ein gefangener Nachmahr. Sie hat nichts zu verlieren. Warum sollte sie darauf Rücksicht nehmen, was Caiwens Wille ist, wenn es Mittel und Wege gibt, ihn zu brechen?«
»Dann müssen wir sofort zu ihr!« Heylon sprang auf. »Wir können sie dieser Bestie doch nicht einfach überlassen.«
»Mäßige dich, junger Freund.« Durin legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter. »Wir helfen Caiwen nicht, indem wir uns den Elfen geradewegs ans Messer liefern. Tot können wir nichts mehr für sie tun. Wenn es stimmt, was die Elfen gesagt haben, können wir gewiss sein, dass Caiwen bis zum Morgengrauen am Leben bleiben wird. Wir haben also genug Zeit, unser Vorgehen sorgfältig zu planen.«
»Aber versteht doch. Wir müssen...« Heylon brach ab, blickte aufgebracht von einem zum anderen und ließ resignierend die Schultern hängen. »Ihr seht es wie Durin. Hab ich recht?«
»Eile und Sorge waren noch nie gute Ratgeber.« Der Schwarze nickte bedächtig. »Die Verbannten sind uns zahlenmäßig weit überlegen. Da ist Besonnenheit gefragt.«
Eine Weile schwiegen alle, dann seufzte Heylon ergeben und setzte sich wieder.
»Und?« Finearfin schaute Durin fragend an. »Wie lautet dein Plan?«
Caiwen fand sich in einem Gemach wieder, das prächtiger nicht hätte sein können. Die Wände waren aus hellem Stein, fugenlos und blank poliert. Luftig geschwungene Bögen auf kunstvoll gearbeiteten Säulen öffneten den Raum an einer Seite zu einer Balustrade, hinter der sich über dem Dach der grünen Baumkronen ein tiefblauer Sternenhimmel wölbte. Mondlicht flutete durch die hauchzarten Vorhänge, die sich verspielt im Sommerwind bauschten und die Geräusche und Gerüche des nächtlichen
Waldes in den Raum ließen. Die milde Luft war erfüllt von Frieden und Geborgenheit und selbst die Schatten bargen kein Unheil ...
»Ergreift sie!« Mit einem Krachen flog die Tür auf. Zwei Dutzend bewaffnete Elfenkrieger stürmten in das Gemach und umstellten das Bett mit den kostbaren Decken und Kissen, auf dem Caiwen ruhte. Silberne Rüstungen klirrten leise und Speerspitzen funkelten im Mondlicht, als die Krieger eine Gasse bildeten und einer jungen Elfe in schimmernden weißen Gewändern Durchlass gewährten.
Mutter! Caiwen zuckte zusammen und für einen Augenblick geriet das Bild in Bewegung.
»Beruhige dich, Liebes.« Nimeyes Stimme schwebte durch den Nebel, der Caiwens Geist umfangen hielt, und verdrängte eilig die störenden Gefühle. Das Bild beruhigte sich, und Caiwen sah sich wieder der jungen Elfe gegenüber, die später einmal ihre Mutter sein würde.
»Steh auf, Nimeye. Das Spiel ist vorbei!«, befahl diese mit harter Stimme, packte eine der kostbaren Decken mit der Hand und zog sie mit einem Ruck fort. »Ich habe dem Elfenkönig alles erzählt. Alles! Er weiß um deine finsteren Pläne und deinen Pakt mit den Anderweltlern.«
»Aber Liebes, was redest du da?«
Caiwen drehte sich um und sah eine Elfe, die sie sofort als Nimeye erkannte, im Nachtgewand auf dem Bett sitzen. Sie wirkte verschlafen und starrte die junge Elfe fassungslos an. »Nehmt die Waffen weg«, herrschte sie die Krieger ungehalten an. »Behandelt ihr so eure Hohepriesterin?«
»Eine Hohepriesterin nicht, aber eine Verräterin.« Elethiriel trat einen Schritt vor und gab den Wachen ein Zeichen. »Führt sie ab.«
»Lasst mich!« Nimeye setzte sich auf und schlug empört nach den Händen, die nach ihr griffen. Aber gegen die Krieger hatte sie keine Chance. Sie wurde aus dem Bett gezerrt und stand schließlich vor ihrer Tochter. »Ich habe deinen Ehrgeiz stets mit zwiespältigen Gefühlen betrachtet«, bemerkte sie gefährlich ruhig, den Kopf stolz erhoben. »Ich wusste immer, dass du dich danach sehnst, meinen Platz einzunehmen. Einen Verrat an deiner eigenen Mutter aber hätte ich dir nie zugetraut.«
»Und ich hätte dir nicht zugetraut, dass du die Dreistigkeit besitzt, den Sturz des Königs zu planen«, erwiderte Elethiriel kühl.
Nimeye tat, als hätte sie den Vorwurf nicht gehört. Ihre
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