Das Vermächtnis der Feuerelfen
wenn Ihr uns während des Essens etwas von Euch und dem Leben auf dem Riff berichten würdet. Vor allem aber hoffe ich, dass Ihr uns darüber Aufschluss geben könnt, warum Euch die Geister verschont haben.«
»Ah ja, die Geister …« Caiwens Zögern entging Durin nicht. Offenbar wusste sie nicht recht, was sie antworten sollte.
»Der Kapitän meint die Geister der ertrunkenen Seeleute, die auf dem Riff hausen und jeden töten, der das Eiland betritt«, kam er ihr zu Hilfe. Er wandte sich dem Kapitän zu und sagte mit unheilvoller Stimme: »Ich habe die Geister mit eigenen Augen gesehen. Oh ja, das habe ich. Finstere Gesellen in Lumpen und mit
Blutgier im Blick. Sie kamen zu mir und wollten mich töten, nachdem der Sturm mein Boot zerschmettert und mich an den Strand geworfen hat.« Er ließ die Faust so heftig auf den Tisch krachen, dass die Gläser klirrten, und fuhr fort: »Bei den Göttern, noch nie habe ich so um mein Leben gefürchtet, aber dann kam sie und hat mich gerettet.« Durin entging nicht, dass Melrem ihn skeptisch von der Seite musterte. Es war offensichtlich, dass er ihm kein Wort glaubte. Der Kapitän hingegen war sichtlich beeindruckt. »Ist das wahr?«, fragte er Caiwen. »Ihr habt Durin das Leben gerettet?«
»Ja … ja, das stimmt. Ich … ich habe schon so lange auf dem Riff gelebt und wollte fort. Aber die … die Geister töten alle, die an den Strand kommen.« Je länger Caiwen sprach, desto fester wurde ihre Stimme. Dankbar griff sie die Worte Durins auf und wob daraus eine Geschichte, die zu der Geisterlegende passte. »Als ich hörte, dass ein Schiff kommen würde, um Durin zu holen, habe ich die Gelegenheit genutzt. Ich habe den Geistern erzählt, dass es für mich an der Zeit sei, mir einen Gefährten zu suchen, und ihnen erklärt, dass ich Durin erwählt hätte. Nur deshalb ließen sie ihn in Frieden.«
»Aber warum das alles?« Der Erste Offizier schien weniger gutgläubig als sein Kapitän. »Warum ließen sie Euch so lange am Leben und warum gewährten sie Euch diesen Wunsch? Mit Verlaub, aber die Geschichte scheint mir doch sehr an den Haaren herbeigezogen. Nichts als Seemannsgarn.« Er verstummte und maß Caiwen mit einem durchdringenden Blick.
»Nun, sie haben mir nichts getan, weil … weil …«
»… weil sie den Winter vom Riff ferngehalten hat«, sagte Melrem so gelassen, als erkläre sich das eigentlich von selbst. Caiwen fuhr herum und starrte ihn mit offenem Mund an. Auch die anderen am Tisch schienen nicht zu wissen, wovon Melrem sprach. Dieser ließ sich durch die erstaunten Gesichter jedoch nicht beirren und fuhr fort: »Wisst ihr denn nicht, dass Caiwen die seltene
Gabe der Elfen besitzt, den Schnee zu bannen? Durch sie fiel auf dem Riff niemals Schnee.« Er grinste. »Ich schätze mal, das war den Geistern ganz angenehm.«
»Ja … nun, das könnte in der Tat des Rätsels Lösung sein. Auch wenn es für meinen Geschmack eine recht merkwürdige Erklärung ist.« Der Kapitän wirkte erleichtert. Er schien froh zu sein, einen aufkommenden Streit verhindern zu können. »Aber nun greift zu, ehe das Essen kalt wird. Der Abend ist noch lang, und wir haben noch viel Zeit, über alles zu sprechen.«
ECHTE FREUNDE, FALSCHE FREUNDE
D ann schaff mir diesen Balg in Arvid vom Hals. Der Junge ist Ballast, der unseren Plänen im Weg steht.« Finearfin horchte auf. Nach der Rettung des Mädchens hatte sie sich in ihrem Versteck etwas entspannen können. Sie konnte erst nach Einbruch der Dunkelheit versuchen, zu Caiwen zu gelangen. Bis dahin war es noch lange hin, aber der hitzige Wortwechsel hatte sie vorzeitig aus dem leichten Schlummer geweckt, in den sie nach den Strapazen der langen Reise gesunken war.
Draußen vor dem Boot wurde nun geflüstert. Dann hörte sie eine Stimme, die unverkennbar dem Kopfgeldjäger gehörte, sagen: »Meine Aufgabe war es, das Mädchen zu holen. Das habe ich getan. Du kannst nicht von mir verlangen, dass ich …«
»Du hast einen Fehler gemacht und wirst das wieder in Ordnung bringen.« Jetzt erkannte sie Melrems Stimme. Sie klang barsch. »Schick ihn zurück ins Geisterreich. Dann bekommst du deinen Lohn.«
Nun wurde Finearfin einiges klar. Der Kopfgeldjäger hatte den Auftrag gehabt, das Mädchen an Bord zu bringen. Allein. Dass der Junge mitgekommen war, schien diesem Melrem ganz und gar nicht zu passen, auch wenn er Caiwen gegenüber so tat, als sei er ihr wohlgesinnt.
Ein dünnes Lächeln umspielte Finearfins Lippen. Was sie gerade
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