Das Vermaechtnis der Hexen
schutzlos. Ich ließ dich nicht mehr los, bis wir am Krankenhaus angekommen waren. Wir erzählten, dass du von Stein zu Stein gesprungen bist, abgerutscht und ins Meer gefallen bist. Ich bin zufällig vorbeigekommen und habe dich gerettet. Sie haben uns geglaubt. Genauso wie deine Familie und alle anderen. Aber wenn du ihnen die Wahrheit erzählen willst, dann ist das deine Entscheidung.
Ich dachte darüber nach, über die Ereignisse der letzten Stunden. Er hatte mich gerettet. Er hatte unter Schock gestanden. Er dachte, ich sterbe. Er war froh, als ich wieder atmete. Er ließ sich eine Lüge für mich einfallen. Ob er ...?
Vanessa, ja und wie. Ich wollte es dir erklären. Aber du hast mich angeschrien. Du bist davongerannt. Du hast mich und meine Welt hinter dir gelassen. Also wollte ich weg. Dich allein lassen. Du hättest einen anderen finden können. Ihr wärt glücklich gewesen. Du hättest mich vergessen und alles wäre wie vorher gewesen. Bevor wir uns kannten. Und diese »Lüge« ... es ist keine Lüge, Vanessa. Meine Aufgabe hieß,
ich solle dein Vertrauen gewinnen, nicht deine Liebe. Aber ich verliebte mich in dich und es liegt jetzt an dir. An mir? Was denn? Denk doch mal nach. Soll ich bleiben oder nicht? Akzeptierst du mich oder nicht?
Ich antworte, ohne darüber nachzudenken: Ja. Er lächelte. Bestimmt darüber, dass ich es einfach nur gesagt habe. Ich lächelte ihn an.
Er lachte auf und gab mir einen Kuss auf den Mund. Ich zog ihn fest an mich.
Es war wie das Happy End eines Märchens. Das Mädchen hatte ihren Prinzen wieder. Oder, bei uns in diesem Fall: Die Hexe hatte ihren Vampir wieder.
Eine Frage noch: Wieso bist du heruntergesprungen? Wolltest du dir wirklich das Leben nehmen?
Ich unterbrach den Kuss. Nein, wollte ich nicht. Nicht wirklich. Ich wollte sehen, ob es wirklich eine Lüge war oder ob ich dir etwas bedeute. Ich lächelte ihn zaghaft an. Du bist echt verrückt, Vanessa Sarah Malke. Eine Pause entstand. Dann ist es ja gut, dass du heruntergesprungen bist.
Ich sah ihn schockiert an. Wieso?
Weil ich jetzt endlich weiß, dass ich bei dir bleibe, egal was passiert und dass du mich immer noch willst, nach allem, was passiert ist. Er schüttelte ungläubig seinen Kopf. Du wirst mich nie mehr los.
Die nächsten Tage waren voller Chaos. Ich wurde aus dem Krankenhaus entlassen. Meine Eltern verfolgten mich auf Schritt und Tritt. Ich wurde andauernd ermahnt, vorsichtiger zu sein. Eine Woche darauf fuhren wir einkaufen.
»Wo fahren wir überhaupt hin?«, wollte ich wissen, als wir im Auto saßen.
Mom seufzte wieder. Das tat sie in letzter Zeit immer. Okay, ich hatte ja auch alle halbe Stunde gefragt, wohin es ging. Alle halbe Stunde? Das soll doch wohl ein Witz sein. Ich würde eher sagen, jede fünfte oder zehnte Minute. Die Bemerkung kam natürlich von Jas. Er saß rechts neben mir, meine Eltern vorn und Róse links neben mir. Meine Brüder, Jas’ Brüder und Eltern, Emma und Elli waren in dem großen Van. Sie fuhren hinter uns. Seit ich diesen »Unfall« hatte, war Jas nicht mehr von meiner Seite gewichen. Das gefiel mir. Und Róse überwachte jetzt jeden meiner Schritte.
Wir fuhren nach Jarime. Hier war ich fast jedes Wochenende, wobei wir am Ende der großen Stadt parkten. In diesem Teil der Stadt war ich noch nie gewesen. Mom und Dad gingen voraus. Die Straßen wirkten so dunkel, geheimnisvoll und magisch und auf eine Art unheimlich. Sie führten uns zu einem alten Haus. Von drinnen hörte ich viele laute Stimmen. Dad ging voraus, dann Mom, Jas mit mir, Róse und
dann die anderen.
Ich sah mich um und traute meinen Augen nicht. Es war kein Haus, in das wir gingen, sondern vielmehr eine Tür zu einem Marktplatz.
Es war eine lange Straße und Laden an Laden, links und rechts, standen dort entlang. Ein kleiner runder Mann, mit Schnauzbart, kam auf uns zu.
»Willkommen, meine Lieben.« Alle begrüßten ihn. Dann erblickte er Emma, Elli und mich. »Ah, neue Hexen. Fräulein Emma und Elli.« Er nickte den beiden höflich zu. Dann sah er mich an und verneigte sich.
»Fräulein Vanessa. Herzlich willkommen in der zauberhaften Stadt Ferre. Hier finden Sie alles, was Sie brauchen. Wir stehen selbstverständlich immer zur Verfügung.« Ich lächelte ihn an. Dann ging er weg und begrüßte die nächste Familie.
Ich schloss mich den anderen an. »Mom, wer war dieser Mann?«
»Das war Albert. Er ist der Begrüßungswart.«
»Ach so.« Ich guckte mir mit Jas jeden Laden an. »Was
Weitere Kostenlose Bücher