Das Vermaechtnis der Hexen
und gelang in meine Lungen. Dann kam eine riesige Welle und verschlang mich, wirbelte mich herum und stieß mich gegen etwas Hartes. Ich verlor das Bewusstsein. Aber davor dachte ich: Ich hoffe, du verstehst es. Jas, vergib mir. Ich liebe dich.
Sterben ist leicht, einfach, friedlich. Besonders, wenn man alles noch einmal vor seinem geistigen Auge sieht. Seine ganze glückliche Zeit vor Augen hat. Wenn alle glücklichen Erinnerungen an einem vorbeiziehen.
Dafür ist leben schwerer.
Kälte. Eises Kälte. Kälte, die unangenehm, doch zugleich beschützend wirkte. War ich im Himmel? War es dort kalt?
Stimmen. Aufgeregte Stimmen. Ängstliche Stimmen. Sie drangen leise in mein Bewusstsein. Ich fühlte mich taub. Verloren.
Wieso war ich gesprungen? Um mir das Leben zu nehmen? Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Ich wollte, glaube ich, von der Klippe springen und sehen, ob mein Engel mich rettet. Ob ich ihm wirklich egal war oder nicht.
Vanessa. Mein Dad. Was er wohl gerade denkt? Ich lauschte, aber nichts erreichte mich. Vanny, Schatz. Bitte wach auf. Das war meine Mom. Ihre Stimme hatte immer so einen schrillen Ton, wenn sie in Panik ist.
Aufwachen? Wieso sollte ich? Hier zu liegen, Augen zu, war leichter, als das Leben, das jetzt, wo Jas fort war, auf mich wartete. Ich wollte nicht. Nein, ich werde meine Augen nicht öffnen und diesen brennenden Schmerz spüren.
Die Stimmen verstummten. Sie waren gegangen. Oder? Eine leichte Berührung an meiner Stirn. Sofort schlug ich meine Augen auf. Nein, bitte nicht. Ich musste träumen, denn vor mir sah ich Jas’ Gesicht. Ich sah seine goldenen, besorgten Augen. Diese nachdenkliche Falte zwischen den Augen, die ich ihm immer gern wegstrich. Sein Mund war zu einem harten Strich zusammengekniffen. Seine Hände lagen leicht an
meinem Arm und meiner Wange.
Er blickte auf. Ich versuchte zu sagen, wie Leid es mir tat, brachte jedoch außer einem Krächzen nichts heraus. Das Salzwasser war unangenehm gewesen und brannte immer noch in meiner Kehle. Er schüttelte seinen Kopf und bedeutete mir, dass ich nichts zu sagen brauche. Wir guckten uns eine Ewigkeit lang an. Dann hob ich meinen Blick. Wo war ich? Ein Piepen. Monitore. Zwei oder drei Stück. Schläuche an meinem Körper. Die Wände waren weiß mit einem einzelnen gelben Streifen rund herum. War ich im Krankenhaus? Ich lag auf einem hellen komisch riechenden Bett. Es roch eindeutig nach Krankenhaus. Kennen sie auch diesen Geruch?
Du hast einen Schock erlitten. Da solltest du dich lieber ausruhen, als dir irgendwelche Gedanken zu machen. Ach ja? Einen Schock? Was ist mit mir passiert?
Du ... du bist vor mir weggerannt. Weißt du es nicht mehr?
Eine Erinnerung blitzte auf. Weinend am Boden liegend. Den Geruch von Erde in der Nase. Doch, ich weiß es noch. Und was war dann passiert?
Erst wollte ich dir folgen, doch dann rannte ich ebenfalls davon. Weg von dir. Weg von allem. Dann summte mein Handy. Es war Róse. Zuerst wollte ich nicht rangehen, doch dann sagte sie mir, was du vorhast. Ich legte auf und lief, so schnell ich konnte, zurück. Ich folgte deinem Duft. Du warst schon gesprungen, als ich ankam. Er erschauerte.
Erzähl weiter. Bitte, fügte ich hinzu.
Ich sprang dir hinterher. Erst warst du weg. Unter dem Wasser, von einer Welle begraben. Ich tauchte und suchte, fand dich nirgends. Dann wurdest du plötzlich gegen meine Brust geschleudert. Er endete wieder.
Da muss doch noch irgendetwas gewesen sein. Du dachtest an mich. Das brachte mich etwas aus der Fassung. Du sagtest: Ich hoffe, du verstehst es. Vergib mir. Ich liebe dich. Und dann verlorst du dein Bewusstsein. Ich schwamm so schnell wie möglich ans Ufer. Meine Familie war sofort zur Stelle. Wir haben dich wiederbelebt und ins Krankenhaus gebracht. Deine Familie wurde eine Stunde danach angerufen.
Wie ... wiederbelebt? Ich ... ich war tot?
Ja. Schock und Entsetzen durchfuhren mich. Ich sah zu ihm auf.
Du warst so still, blass. Du hast nichts gesagt. Du hast nicht geatmet. Ich konnte mich nicht regen. Stand nur da und hab’ dich angesehen. Meine Brüder und Charlie belebten dich wieder, versuchten es. Zuerst war es hoffnungslos. Ich schaute zu. Stand unter Schock. Wieso hatte sie es getan? Tausend Fragen, tausend Antworten, schwirrten mir im Kopf umher. Dachte nur an dich. An alles, was wir miteinander erlebt
hatten. Als du dann endlich den ersten Atemzug genommen hast, kniete ich mich hin und schloss dich in meine Arme. Du warst so zerbrechlich. So
Weitere Kostenlose Bücher