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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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dem wir bereits seit Monaten nichts mehr gehört hatten. Ich beneidete ihn nicht um diesen Auftrag. Ebenso gut hätte man verlangen können, eine Nadel im Heuhaufen zu finden. Dennoch wurde mir jetzt klar, wie sehr mich mein Vater von allen Plänen und Vorbereitungen ausgeschlossen hatte. Ich war, zumindest dem Namen nach, oberster Heerführer des Reiches und trotzdem wusste ich nichts über unsere genaue Lage und unser weiteres Vorgehen. Ich war traurig darüber, dass Julien nicht mehr Vertrauen zu mir hatte. Doch dann kam mir der Gedanke, dass auch er noch nichts Genaues wusste und dass alle bisherigen Vorbereitungen allein auf Wunsch der Gilde stattfanden. Noch vor der Wintersonnenwende, so erinnerte ich mich, sollte der Kriegsrat Anorias zusammenkommen. Darum suchte Philipe jetzt nach Cordac und deshalb hatte Julien bereits einen Boten nach Finnroy in Firanien geschickt, um Ciaran nach Arida zu rufen.
    So erreichten wir zur Mittagszeit des dritten Tages unserer Reise, des neunten des Monats, Askana. Die Stadt war von den Kandari erbaut worden und glich keinem anderen Ort in Anoria. Die klaren Formen und kunstvollen Ornamente verliehen den hohen Mauern den Eindruck von Stärke und stiller Größe, ohne bedrohlich zu wirken. Das hohe, mit Eisen beschlagene Tor schloss sich hinter uns und war mit Gewalt nicht zu öffnen.
     
    Zu viert ritten sie durch die breiten Straßen der Stadt. Entlang des Weges saßen viele Menschen inmitten ihrer Habseligkeiten: Flüchtlinge, die ihre Heimat verloren hatten. Kurz bevor sie die Burg, die hier ebenso wie in Arida auf dem höchsten Punkt stand, erreichten, trennte sich Felicius von ihnen. Philipe sah ihm stirnrunzelnd nach.
    „Ich hatte geglaubt, Larenia sei einfach nur besorgt oder sie sähe Gespenster, als sie dagegen war, ihn mitkommen zu lassen“, Felicius’ Gestalt verlor sich in der Menschenmenge und Philipe drehte sich zu seinen Begleitern um, „doch jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Vielleicht hatte sie doch recht“, er bemerkte François’ fragenden Blick, Julius’ Verwirrung, „ich weiß nicht, was geschehen wird. Stände sein Schicksal unausweichlich fest, würde ich es sehen. Doch sein Weg liegt im Dunklen und das macht mir Angst.“
    In sorgenvolles Schweigen gehüllt betraten sie den Innenhof der Burg. Hier kam ihnen Eugen, der Fürst von Aquanien, bereits entgegen. Ohne seine kostbare Kleidung und den leuchtenden blauen Mantel wäre er in der Menge nicht aufgefallen. Er zog Julius in eine verwandtschaftliche Umarmung, dann verbeugte er sich tief vor François und Philipe. Julius war diese Begrüßung unangenehm, da er wusste, dass diese Gesten allein dazu dienten, seine Umgebung zu beeindrucken. Für ihn hegte Eugen wenig Liebe, seitdem klar war, dass er durch eine Heirat von Linda und Julius keine Verbindung zum Thron knüpfen konnte. Julius war sehr erleichtert, als er Elaine im Eingang stehen sah. Er verneigte sich kurz vor seinem Verwandten und eilte dann auf sie zu. Ohne sich darum zu kümmern, dass ihn alle Anwesenden beobachteten, umarmte er sie.
    „Ich bin so froh, dich wiederzusehen“, flüsterte er. Elaine sagte nichts, doch das Leuchten ihrer Augen und ihr glückliches Lächeln waren Antwort genug.
    Der Rest dieses Tages, ebenso wie der nächste, erschien Julius verschwommen und entrückt. Er genoss Elaines Anwesenheit, den Klang ihrer Stimme, ihr Lächeln. Er wusste, er hätte mit François die Stadt besichtigen sollen, aber er war so glücklich, dass ihm selbst der Gedanke an Krieg weit entfernt erschien. Erst am elften Tag des Monats, ihrem Abreisetag, wurde er abrupt zurück in die Wirklichkeit gerissen.
    An diesem Tag standen Elaine und Julius bereits im Hof der Burg und verabschiedeten sich von Linda und Eugen, als ein einzelner Reiter in vollem Tempo durch das Tor raste und sein Pferd mit einiger Mühe zum Stehen brachte. Eis und Schnee hingen in seinem Haar und in seinem ungepflegten Bart, und sein Gesicht war rot gefroren. Er sprang von seinem Pferd und blieb einen Augenblick lang schwer atmend stehen. Dann taumelte der sichtbar erschöpfte Mann auf Eugen zu.
    „Mein Fürst“, sagte er leise mit seiner rauen Stimme, „plündernde Brochonier ziehen durch das Land. Sie haben sich mit den Gesetzlosen aus den Wäldern zusammengetan.“
    „Gesetzlose?“, fragte Julius, bevor Eugen reagieren konnte. „Wo?“
    Der Späher hustete und sah dann den jungen Prinzen an, als habe er ihn erst jetzt bemerkt: „Einen Tagesritt von hier in

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