Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
Hoffnung eines Narren. Doch vielleicht ist es der einzige Weg.“
Erstaunt hörte Julius zu. Er hatte sie noch nie mit diesem weichen Akzent sprechen hören. Normalerweise war ihre Aussprache beinahe überkorrekt, jedes Wort wohlüberlegt und sicher.
„Aber was gibt es denn in Hamada außer Wüste und Hitze?“
Natürlich hatte Julius irgendwann einmal Geschichten über Hamada gehört. Irgendetwas über Magie und Elfen, das so unwahrscheinlich klang, dass er es als Ammenmärchen abgetan hatte.
„Hamada war einst das mächtigste der sieben Elfenreiche. Diese Zeit ist längst vergangen und nicht einmal Philipus hat das Imperium der Kandari in seiner Blüte erlebt, doch noch immer hat Hamada Macht. Der Zorn der Brochonier richtet sich gegen die Elfen und vielleicht sind sie nicht so im Unrecht, wie ich zunächst dachte. Doch zumindest ist es die Pflicht meines Volkes, zu verhindern, dass andere wegen unserer Fehler leiden müssen.“
„Aber warum lebt ihr dann nicht mehr dort?“
Larenia drehte sich zu ihm um und sah ihn auf eine sehr sonderbare Weise an. Julius wusste sofort, dass er keine Antwort bekommen würde, zumindest keine, mit der er etwas anfangen konnte.
„Jeder von uns hat seine Gründe, doch keiner, der Hamada verlassen hat, kann einfach zurückkehren.“
Mehr sagte sie nicht. Julius wagte nicht, weiterzufragen, denn jetzt umgab sie wieder jener undurchdringliche Mantel des Schweigens und der Unnahbarkeit.
Lange Zeit wanderten sie durch die Wälder. Mittag und Nachmittag vergingen und noch immer wusste Julius nicht, wohin sie eigentlich unterwegs waren. Für ihn lag alles jenseits der Grenzen Anorias unter einem grauen Schleier. Obwohl es zur Geschichte des Königreiches der Menschen gehörte, hatten sie die Elfen und ihr Imperium aus ihren Gedanken und Erinnerungen verdrängt. Noria Umbara war für Julius nur ein Name und weniger als das. Die Gilde der Zauberer gehörte zwar zum Leben der Anorianer, doch wussten sie wenig über ihre Vergangenheit oder ihre Ziele.
Die grüne Dämmerung brach bereits herein, als sie endlich auf einen Weg stießen. Eigentlich war es nur ein kleiner Pfad, der sich geschützt vor unfreundlichen Blicken den Berghang hinaufwand. Tatsächlich war dies das einzige Zeichen von Bewohnern irgendeiner Art, das sie den ganzen Tag über gesehen hatten.
„Waldläufer kommen manchmal hierher, doch seit den Tagen des ersten Zeitalters lebt niemand mehr jenseits von Skayé.“
Larenia blickte sich um, dann zog sie die Kapuze ihres Mantels tief ins Gesicht und ging weiter. Julius folgte ihr zögerlich.
„Was willst du dann hier?“
„Hinter diesen Bergen leben Elfen in den Wäldern. Es mag sein, dass sie uns helfen werden.“
Sie hasteten weiter. Dem jungen Prinzen fiel es immer schwerer, mit seiner unermüdlichen Führerin Schritt zu halten. Außer ein paar Schlucken Wasser aus einer Bergquelle hatte er heute weder Essen noch Trinken gesehen und inzwischen kostete ihn jede Bewegung unendliche Mühe. Er dachte nicht mehr weiter als bis zum nächsten Schritt und schließlich gab er das Denken ganz auf. Jetzt, nach Sonnenuntergang, wurde es empfindlich kalt. Die Welt versank in grauem Zwielicht und er konnte den Weg nicht mehr sehen. Stumpfsinnig und in seinem eigenen Elend gefangen trottete er weiter. Die Sterne standen bereits hoch am Himmel, als sie endlich anhielten.
Julius kam es so vor, als hätte er gerade erst die Augen geschlossen, als Larenia ihn am nächsten Morgen weckte. Kalt und steif stand er auf. Während er noch fröstelnd von einem Bein aufs andere trat, sah er sich staunend um. In der letzten Nacht hatten sie die erste Hügelkette überquert und waren bereits wieder unterhalb der Baumgrenze. Durch die Wipfel der Bäume konnte er die Bergspitzen sehen. Noch lag der graue, allmorgendliche Nebel über dem Wald, doch schon verirrten sich die ersten goldenen Sonnenstrahlen durch die Baumkronen. In den silbrigen, mit Tautropfen behangenen Fäden eines Spinnennetzes glänzte das Morgenlicht. Ein einzelner Vogel sang und begrüßte so den neuen Morgen. In diesem Augenblick kam es Julius vor, als wäre er aus einem langen Traum erwacht, als hätte er zum ersten Mal wirklich die Augen geöffnet. Nie zuvor war ihm die Welt so lebendig erschienen, so voller Schönheit und Magie, die nichts mit der Zauberei der Elfen zu tun hatte.
„Noria Umbara nannten die Kandari diesen Ort, denn im Schatten der Wälder fanden viele Zuflucht, deren Leben sonst verwirkt
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