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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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Wachen abgelöst. Wenn sie uns hier finden, bevor eure Armee angreift, gibt es für uns keine Hoffnung mehr.“
    Das wusste Merla sehr genau, doch bevor sie antworten konnte, trat einer der Waldläufer zu ihnen: „Es zieht Nebel auf“, murmelte er mit einem so breiten Akzent, dass Merla Mühe hatte, ihn zu verstehen. Gleichzeitig deutete er in Richtung Küste. Es stimmte, dichte Nebelschwaden hatten sich über der Ebene gesammelt. Aber gleichzeitig bemerkte sie etwas anderes. In dem Lager unter ihnen erwachten die Brochonier. Und sosehr sie sich auch in Sicherheit wiegen mochten, irgendwann würden sie bemerken, dass jemand ihre Wachen ausgeschaltet hatte. Noch einmal ließ sie ihren Blick über die neblige Ebene vor den Mauern schweifen.
    „Beeil dich, Sibelius“, flüsterte sie so leise, dass nicht einmal Loran sie hören konnte, „jetzt wäre ein guter Augenblick für einen Angriff.“
     
    Die Nacht verging und der Zeitpunkt, den Sibelius für den Aufbruch des Heeres der Kandari festgesetzt hatte, rückte unaufhaltsam näher. Nur ein kurzer Ritt trennte sie noch von den Mauern ihrer Feinde und dann würde der Moment, in dem sie sich ihrem Schicksal stellen mussten, vor ihnen liegen.
    Lange blickte Laurent über die nächtliche Ebene. Noch einmal betrachtete er mit fast schmerzlicher Intensität und Aufmerksamkeit seine Umgebung, dieses sonderbare, fruchtbare Land, das die Kandari vor sehr langer Zeit aufgegeben hatten, und sein Volk, das sich noch einmal aus dem Schatten über Zweifel und lang gehegten Groll erhoben hatte, um in diesem Krieg zu kämpfen. Dann lenkte er seinen Blick auf den Weg, der vor ihm lag. Die Soldaten der königlichen Garde hatten sich um ihn und Sibelius gesammelt. Sie würden ihn vor jeder Gefahr beschützen, das wusste er, auch wenn es sie ihr Leben kosten sollte.
    Seufzend drehte er sich zu Sibelius um, der ihn erwartungsvoll ansah. Aber noch zögerte der König der Kandari. Vielleicht waren dies die letzten Augenblicke seines Lebens und mit Sicherheit war es seine letzte Möglichkeit, vor dem Angriff mit seinem Heerführer zu sprechen. So zog er schließlich einen schmalen Gegenstand aus seiner Tasche und drehte ihn einen Moment lang unentschlossen in den Händen. Dann reichte er ihn entschlossen an Sibelius weiter. Überrascht blinzelte der Heerführer auf seine Finger herab, in denen er den Stirnreif hielt, den Larenia Loran gegeben hatte. Das Wahrzeichen des Thronerben von Hamada.
    „Was soll ich denn damit?“, verwirrt sah er den König an, doch Laurent zuckte nur nichtssagend mit den Schultern.
    „Vielleicht überlebe ich diesen Tag nicht“, sagte er in gespielt beiläufigem Tonfall, „sollte das der Fall sein, möchte ich, dass du dies hier Larenia gibst. Sag ihr, dass es mir leidtut und dass wir nun wirklich quitt sind. Sie wird es verstehen.“
    Ungläubig starrte Sibelius ihn an. Dann begriff er, dass Larenia ihm nie erklärt hatte, was sie plante. Er seufzte schwer, doch er verzichtete darauf, den König über das Vorhaben seiner Tochter aufzuklären. Daher nickte er nur wortlos. Dann hob er den Kopf und blickte über die Ebene. Die Morgendämmerung war nah und inzwischen konnten sie bereits Einzelheiten der Mauern erkennen.
    „Es ist so weit, mein König“, sagte er leise und sachlich, „wenn wir in das Innere dieser Befestigungsanlage gelangen wollen, brauchen wir jetzt etwas Deckung.“
    Laurent nickte und schloss die Augen. Er bemerkte nicht, dass einer der Gardisten nach den Zügeln seines Pferdes griff. All seine Aufmerksamkeit, seine gesamte Konzentration galt der Aufgabe, die vor ihm lag. Allmählich begannen sich die Nebelschwaden um die Reihen seiner Soldaten zu sammeln. Sie wurden beinahe unsichtbar im gleichförmigen Grau der Dämmerung und des Nebels.
    Schwer atmend öffnete Laurent die Augen. Kalter Schweiß perlte auf seiner Stirn und er musste sich mit beiden Händen am Sattel festhalten, um nicht vom Rücken seines Pferdes zu stürzen, doch jetzt lagen die Mauern der brochonischen Festung direkt vor ihnen.
     
    Merla stand noch immer auf der Mauer und starrte konzentriert auf die Ebene herab. Der Morgen dämmerte und hinter ihr hörte sie die ersten Geräusche, als das Lager der Brochonier langsam zum Leben erwachte. Dann aber erklang das Trappeln Tausender Pferde, als sich das Heer der Kandari schnell der Befestigungsanlage näherte. Erleichtert atmete sie auf und wandte sich an Loran.
    „Sie sind da“, flüsterte sie. Dann rief sie mit

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