Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
angerannt. Neben Felicius blieb er stehen.
„Was ist hier los?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe sie so gefunden.“
Konzentriert blickte Arthenius auf Larenia herab. „Schutzschild“, murmelte er leise und mehr an sich selbst gewandt. Dann kniete er nieder und streckte langsam, aber ohne zu zögern, die Hand aus. Für ihn schien kein Hindernis zu bestehen. Mit einer beinahe zärtlichen Bewegung strich er eine Strähne ihres weichen, weißen Haares aus ihrem Gesicht. Als er sprach, klang seine Stimme warm und liebevoll, wie es Felicius selten zuvor gehört hatte.
„Larenia?“
Langsam öffnete sie die Augen. Überrascht und verständnislos sah sie von Arthenius zu Felicius und wieder zurück.
„Was ist geschehen?“
„Das wollte ich dich gerade fragen“, Felicius musterte sie mit hochgezogenen Augenbrauen, „was tust du hier?“
Larenia antwortete nicht. Stattdessen ließ sie den Kopf zurück auf ihren Arm sinken. Ein spätnachmittäglicher Sonnenstrahl fiel auf ihr Gesicht und verlieh ihr ein beinahe friedliches Aussehen.
„Komm, steh auf!“, ohne sichtbare Anstrengung zog Arthenius sie auf die Füße, „und jetzt erzähl uns, was hier passiert ist.“
Larenia zuckte mit den Schultern: „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, sie bemerkte Felicius’ Stirnrunzeln. Dennoch senkte sie nachdenklich den Blick und antwortete lange Zeit nicht.
„Ich weiß es auch nicht“, sagte sie schließlich langsam und unsicher, „ich habe versucht herauszufinden, was in Anaiedoro geschieht. Laurent wird uns nicht helfen“, fügte sie in verändertem Tonfall hinzu.
Sie betraten das kühle Innere des Zauberturms. Hier war die Stille erdrückend. Selbst ihre leisen Schritte und das fast unhörbare Rascheln ihrer Kleidung wurden zu lauten Geräuschen.
„Was geschah dann?“, fragend sah sie zu Felicius auf, der langsam die Geduld verlor, „eine telepathische Verbindung, selbst über diese Entfernung, stellt für jemanden mit deinen Kräften kein Problem dar. Und trotzdem finden wir dich bewusstlos auf dem Boden liegend. Also, was ist dann passiert?“
„Ich weiß es wirklich nicht“, echte Verzweiflung sprach nun aus ihren Worten, „ich glaube, ich habe die Kontrolle verloren. Seit –“, sie unterbrach sich. Als sie schließlich weitersprach, war deutlich zu erkennen, dass sie eigentlich etwas anderes sagen wollte, „seit der Schlacht scheint alles, was ich beginne, schiefzugehen. Ich war nie besonders gut darin, meine Kräfte zu kontrollieren, doch nun …“
Sie wandte den Blick ab. Arthenius, der sie die ganze Zeit über beobachtet hatte, bemerkte ihr leichtes Zittern, ihren sonderbaren Gesichtsausdruck, ihren ständigen Kampf darum, nicht die Kontrolle zu verlieren. Er wechselte einen kurzen Blick mit Felicius. Sie hatten das schon einmal erlebt. Damals waren sie machtlos gewesen, verdammt dazu, hilflos zuzusehen.
Arthenius sah in ihre großen blauen Augen und er sah den Wahnsinn in Larenias Blick. Sie schien weder ihn noch Felicius wahrzunehmen. Alles, was sie fühlte, waren die Emotionen und Gedanken der Menschen.
„Larenia, hör mir zu“, Arthenius sprach leise und eindringlich, „du kannst dich nicht ewig dagegen wehren. Dies ist deine Gabe, sie ist ein Teil von dir und du kannst sie beherrschen. Ich kann dir helfen, wenn du es zulässt.“
Felicius wagte kaum zu atmen. Doch dann klärte sich Larenias Blick. Sie wirkte wieder ruhig und gefasst wie gewöhnlich, auch wenn es nur eine Fassade war. Erschöpft lehnte sie sich an die Wand.
„Dies ist das Werk der Bewahrer“, Felicius bemühte sich nicht einmal, seinen Zorn zu verbergen, „es war ihre Idee, alle bei den Kandari bekannten Kräfte in einer einzigen Familie, in einer einzigen Person zu vereinen. Sie haben keinen Gedanken daran verschwendet, was sie ihr damit antun.“
„Sie konnten es nicht wissen …“, aber Felicius unterbrach Larenias halbherzigen Protest sofort.
„Sie hätten es vorhersehen müssen. Als ihnen die Konsequenzen ihres Handelns bewusst wurden, fiel ihnen nichts Besseres ein, als dich zu verbannen. Und warum? Weil sie Angst hatten, vor dir und deinen Fähigkeiten.“
Larenia antwortete nicht. Es gab nichts zu sagen. Sie alle wussten, dass der Aufstand den Bewahrern nur als Vorwand gedient hatte, um potenzielle Widersacher auszuschalten.
Aber das war nicht der eigentliche Grund für Felicius’ Wut: „Und sie haben ihre Macht missbraucht, ihr Wissen, ihre Fähigkeiten …“
„Wir können es
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