Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
wer du bist?“
Sie sah den jungen Prinzen mit hochgezogenen Augenbrauen an: „Weil es nur die halbe Wahrheit ist. Und dazu vollkommen bedeutungslos.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Du hast nicht richtig zugehört, als ich mit Merla sprach. Mein Volk hält mich für eine Verräterin, aus Hamada wurde ich verbannt. Welche Rolle spielt es noch, wer meine Eltern sind oder welche Kräfte ich besitze?“, ein Hauch von Bitterkeit sprach aus ihren Worten. Und für einen kurzen Augenblick hatte Julius das Gefühl, an einem anderen Ort zu sein …
Eine hohe Halle aus ehemals weißem, jetzt sandfarbenem Gestein. Kunstvolle Ornamente zierten die Wände und das Dach wurde von hohen Säulen getragen. Zwischen den Säulen standen schweigend viele Kandari, in Grau gekleidet, die Gesichter im Schatten der Kapuzen verborgen. Dann erklang laut und schrill in der Stille das Klirren von Metall auf Stein …
Julius schnappte erschrocken nach Luft: „Was war das?“
Nur mühsam fand er zurück in die Wirklichkeit.
„Nichts … Nur eine Erinnerung. Es tut mir leid“, auch Larenia wirkte benommen. Doch dann schüttelte sie leicht den Kopf und im nächsten Augenblick erschien sie wieder gewohnt kühl und beherrscht. Sie wandte sich zu den anderen Gildemitgliedern um.
„Arthenius?“
„Die Brochonier wissen weder von dem Aufstand noch von der Verbannung. Und sie ahnen es auch jetzt nicht. Ihr Druide hält uns für Botschafter. Er hat nicht mehr erfahren, als du laut ausgesprochen hast. Es hat ihn verunsichert, zu hören, wer und was du bist.“
Sie nickte kurz, offensichtlich zufrieden mit seiner Antwort. Dann sah sie François fragend an.
„Sie werden ihrem Herrscher raten, einen anderen Ort anzugreifen, der weniger gut geschützt ist. Arida mag vorläufig sicher sein, aber die Brochonier werden nicht aufgeben. Nicht jetzt, da sie endlich ihrem eigentlichen Feind gegenüberstehen.“
„Das war zu erwarten“, einen Moment lang schwieg Larenia, tief in Gedanken versunken, „was wird geschehen, Philipe?“
Der Elf seufzte: „Ich kann es dir nicht sagen. Es gibt zu viele Möglichkeiten. Sie werden uns wieder angreifen, das ist sicher, doch alles andere liegt im Dunklen. Ich wünschte, ich könnte dir mehr sagen.“
„Was denkst du, Philipus?“
Nachdenklich runzelte er die Stirn. Er ließ den Blick über Julien und Julius gleiten, die gespannt und schweigend zuhörten. Doch als er antwortete, sah er Larenia unverwandt an: „Ich kann auch nur raten. Ariana ist durch die Steilküste gut geschützt und vom Meer aus kaum anzugreifen. Und ein Angriff auf Aquanien würde sie zu viel kosten. Ihr nächstes Ziel ist wahrscheinlich Dalane in Terranien oder Finnroy in Firanien. So könnten sie ein Fürstentum erobern und hätten gleichzeitig die Möglichkeit, uns von Land und See aus gleichzeitig anzugreifen. Und einem derartigen Angriff können wir nichts entgegensetzen.“
„Und was sollen wir eurer Meinung nach nun tun?“, Julien war sichtlich niedergeschlagen. Er hatte seit dem Beginn des Krieges nicht weiter als bis zum ersten Angriff gedacht. Was danach geschehen sollte, wusste er nicht. Er hatte es nicht gewagt, weiterzudenken, um nicht vollkommen den Verstand zu verlieren.
„Finnroy lässt sich gut verteidigen und Firanien verfügt über eine ausgezeichnete Garde. Ihre Situation ist also nicht hoffnungslos. Mehr Sorgen mache ich mir um Dalane“, Pierre fuhr sich mit der Hand durch das kurze, rotgoldene Haar, „wenn die Brochonier die Stadt erobern, ist Terranien verloren. Und unsere Feinde haben eine sehr gute Ausgangsposition, um Ariana anzugreifen.“
„Aber wir können ihnen keine Hilfe schicken“, verzweifelt und hilflos sah Julius die Gildemitglieder an. Pierre tauschte einen kurzen Blick mit Larenia. Dann lächelte er Julius beruhigend zu: „Ich werde gehen.“
Julien bedankte sich und auch Julius sah nicht mehr ganz so niedergeschlagen aus. Für Larenia schien damit alles gesagt zu sein. Sie wandte sich um und wollte gehen, aber Felicius hielt sie zurück.
„Was ist mit Merla?“
Larenia blieb stehen. Mit einer nervösen Geste strich sie sich durch das weiße Haar. Dann schloss sie die Augen und ihr Gesicht wirkte plötzlich leer, vollkommen ausdruckslos. Es schien viel Zeit zu vergehen. Nur das leise Flüstern von Julius war zu hören, der seinem Vater erklärte, wer Merla war.
Schließlich öffnete sie die Augen. Sie taumelte und griff Halt suchend nach Arthenius’ Arm.
„Sie hat mit
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