Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
nicht mehr ändern“, Arthenius sah von seinem Bruder zu Larenia, „wir können nur versuchen, nicht die gleichen Fehler zu begehen.“
Die Tage schleppten sich dahin. Keine Nachrichten, kein Bote erreichte Arida. Die Welt um sie herum hätte untergehen können, ohne dass sie es bemerkten. So kam es Julius zumindest vor. Doch dann, am fünfzehnten Tag des Monats Sénia, traf noch vor der Morgendämmerung ein Reiter in der Stadt der Könige ein.
Misstrauisch und mit gezückten Waffen beobachteten die Wachen an der Palastmauer die sich nähernde, in Schwarz gekleidete Gestalt. Schließlich trat einer der Männer vor: „Gebt Euch zu erkennen!“
Der Fremde verlangsamte seine Schritte: „Ich muss mit eurem König sprechen. Und mit der Gildeherrin.“
Die Stimme des Unbekannten klang überraschend hoch und klar, jedoch sprach er mit einem harten, in Anoria unbekannten Akzent. Inzwischen war auch der Hauptmann der Wache gekommen. Mit einer Fackel in der einen und dem Schwert in der anderen Hand näherte er sich der düsteren Gestalt. Ein einziger Blick in das dunkle, von schwarzem Haar umrahmte Gesicht genügte.
„Was willst du hier, Brochonier? Du hast hier nichts zu suchen!“
Der Brochonier wich ein Stück zurück.
„Bitte, ich muss mit eurem Herrscher sprechen. Ich habe eine Nachricht für ihn.“
Auch die anderen Wachen hatten jetzt ihre Schwerter gezogen. Und auf der Mauer standen Bogenschützen, wachsam und schussbereit.
„Sag, was du zu sagen hast, und dann verschwinde!“
Der Fremde antwortete nicht sofort, sondern blickte verzweifelt von einem zum anderen. Selbst den Wachen wurde klar, dass dieses Verhalten sehr ungewöhnlich für einen Brochonier war.
„Überlasst das mir“, unbemerkt hatte sich Philipus genähert. Mühelos bahnte er sich einen Weg durch die Ansammlung von Soldaten.
„Aber er ist ein Brochonier, ein Feind!“, ungläubig starrte ihn der Hauptmann der Garde an.
„Und er hat eine Nachricht für den König. Also lasst ihn durch.“
Unwillig und zögernd traten die Wachen zurück. Doch sie blieben misstrauisch und sie steckten ihre Waffen erst weg, als der Elf und der Brochonier den Palast betraten.
Im Thronsaal war es noch dunkel. Die einzige Helligkeit stammte von ein paar Fackeln an den Wänden. Julien saß auf seinem Thron, wirkte aber etwas verstört. Auch Julius war da, ebenso wie François und Philipe und ein Dutzend Wachen.
Zögernd trat der Brochonier hinter Philipus in die Halle. Sie waren keine drei Schritte gegangen, als sich die Tür abermals öffnete und Larenia eintrat. Ängstlich blickte der Brochonier vom König zur Gildeherrin. Dann verbeugte er sich zuerst vor Julien und dann noch einmal tiefer vor Larenia. Nach einem weiteren Augenblick des Zögerns schob er seine Kapuze vom Kopf und enthüllte ein ausgesprochen hübsches Gesicht, das von dunklen, widerspenstigen Locken eingerahmt wurde. Bei dem Brochonier handelte es sich offensichtlich um eine junge, sehr schöne Frau.
Jetzt holte sie noch einmal tief Luft und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. Sie war vielleicht eine Handspanne größer als Larenia.
„Mein Name ist Rowena. Ich bringe euch eine Botschaft aus Dalane“, obwohl sie sehr sicher klang, wirkte ihr Blick ängstlich und hilflos. Sie wusste nicht, auf wen sie sich konzentrieren sollte. Aber dann nahm Larenia ihr die Entscheidung ab, indem sie ihren Platz an der Tür verließ, und sich schräg hinter Juliens Thron postierte.
„Nun, was habt Ihr zu sagen?“, wenn Julien sich wunderte, ließ er es sich nicht anmerken. Ruhig und in majestätischer Haltung sah er auf die Fremde herab.
„Die Stadt ist gefallen. Vor sechs Tagen schon. Aber viele konnten entkommen. Soweit wir wissen, hat eine Gruppe von Waldläufern sie in Sicherheit gebracht.“
Rowena verstummte. Mit gesenktem Haupt wartete sie auf die Antwort des Königs und auf die Entscheidung über ihr Schicksal. Denn jetzt, nachdem sie ihre Botschaft, eine Schreckensnachricht für die Anorianer, überbracht hatte, durfte sie nicht sicher sein, unbehelligt die Stadt verlassen zu können.
Aber bevor irgendjemand etwas sagen oder tun konnte, trat Julius hinter dem Thron seines Vaters hervor. Mit forschendem Blick näherte er sich der Brochonierin.
„Wer bist du?“
Langsam hob sie den Blick. Ihre Augen waren nicht kalt und blau, sondern dunkelbraun, beinahe schwarz und samtig. Und trotz aller Furcht lag ein Hauch Neugierde in diesem Blick.
„Ich gehöre zum
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