Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)
alles, jedes Wort, jede Geste, genau berechnet ist. Ihr ganzes Auftreten ist eine einzige Lüge.“
Arthenius schüttelte langsam den Kopf: „Das verstehe ich nicht.“
„Es stimmt schon, dass Laurent sie geschickt hat. Aber Anila sind die Menschen gleichgültig. Und sie ist auch nicht hier, weil sie den Wunsch ihres Vaters erfüllen möchte. Alles, was sie wirklich interessiert, ist, sich mit mir zu messen. Ich hatte geglaubt, sie würde diesen ewigen Konkurrenzkampf aufgeben, da sie nun nicht mehr in meinem Schatten steht. Aber alles, woran sie denken kann, ist, mich in irgendeiner Weise zu übertreffen.“
Arthenius wollte etwas erwidern, doch dann seufzte er nur: „Du musst zugeben, dass es für sie nicht immer einfach war.“
„Das bestreite ich nicht, aber ich hatte gehofft, sie würde es irgendwann aufgeben.“
Am nächsten Morgen begleiteten Larenia und François Merla und Anila nach Arida. Die Nachricht von der Ankunft der Kandariprinzessin hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet und so war Julien kaum überrascht, die beiden fremden Elfen zu sehen. Auch Patricia und Julius waren heute anwesend. Ob sie Stärke demonstrieren wollten oder einfach nur neugierig waren, ließ sich dabei nicht eindeutig sagen.
Lange Zeit sahen sich die Kandari und die Menschen prüfend an. Dabei versuchte Anila nicht einmal, ihre Abneigung zu verbergen. Sie war mit den typischen Vorurteilen der Elfen aufgewachsen und hatte nie den Wunsch verspürt, diese zu überwinden. Patricia schien den Widerwillen der Elfe nur zu deutlich wahrzunehmen und so wurde aus ihrer Skepsis bald Ablehnung. Julius’ Blick dagegen wanderte unablässig zwischen Larenia, Merla und Anila hin und her. Früher hatte er gedacht, alle Kandari wären wie die Gildemitglieder, aber jetzt stellte er erstaunt fest, dass er nie zuvor drei so verschiedene Wesen gesehen hatte. Einzig Julien ließ nicht erkennen, was er dachte. Zurückhaltend und abwartend erwiderte er Anilas forschenden Blick.
Kurz bevor die Stille erdrückend werden konnte, erhob sich Julien von seinem Thron und verbeugte sich leicht vor Anila, ein Gruß unter Gleichgestellten.
„Wir freuen uns, Euch in Arida willkommen heißen zu dürfen, Anila von Hamada.“
Nach einem weiteren kalten Blick, der nun doch stark an Larenia erinnerte, erwiderte sie den Gruß des Königs mit einem knappen Nicken. Ohne sich mit weiteren Höflichkeiten aufzuhalten, sagte sie mit der neutralen Stimme des geübten Botschafters: „Eure Lage ist uns bekannt. Aber was erwartet ihr von uns?“
Julien konnte seine Überraschung bei diesen Worten nicht verbergen. Ratlos sah er Larenia an, die nur mit den Schultern zuckte.
„Nun, die Feindseligkeiten der Brochonier richten sich vor allem gegen die Kandari. Wir haben versucht, sie aufzuhalten, doch unsere Lage ist schlecht, um nicht zu sagen hoffnungslos. Wir hatten gehofft, ihr könntet uns helfen.“
Obwohl seine Worte immer noch höflich klangen, konnte er seine Fassungslosigkeit nicht verbergen.
„Welche Art von Hilfe erhofft ihr euch? Eine Armee? Wir sind ein kleines Volk. Der einzige Kampf, den die meisten Kandari kennen, ist der ums Überleben. Magische Unterstützung? Egal welchen Eindruck ihr von meinem Volk habt, eine Gabe wie Larenias ist einmalig.“
Juliens Fassungslosigkeit schlug in Entsetzen um, aber bevor er sich erholen und zu einer Antwort ansetzen konnte, trat Larenia zwischen ihn und Anila.
„Was soll denn das?“, fragte sie leise und in ihrer eigenen Sprache, „diese Menschen kämpfen für uns in einem Krieg, der sie nicht einmal persönlich betrifft. Und du machst ihnen Vorwürfe, weil sie um Hilfe bitten?“
„Was erwartest du von mir? Du weißt so gut wie ich, dass wir die Brochonier nicht besiegen können, weder physisch noch magisch. Und ich werde nicht das Bestehen unserer Nation riskieren für eine noble Geste.“
„Bist du wirklich so blind? Was, glaubst du, wird geschehen, wenn die Brochonier Anoria erobert haben? Mit Zurückhaltung wirst du Hamada nicht retten können. Ein Bündnis mit den Menschen ist unsere beste Möglichkeit, egal wie sehr du sie verachtest.“
Einen Augenblick starrte Anila ihre Schwester zornig an, aber dann senkte sie den Blick. Obwohl sie es nur ungern zugab, wusste sie, dass Larenia recht hatte.
„Die Entscheidung liegt nicht in meiner Hand“, ihre Stimme klang jetzt sanfter, auch wenn es sie große Überwindung kostete, „ich werde Laurent berichten, was ich hier sah, und ihm
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