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Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Das Vermächtnis der Kandari (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Kandari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Tracy Schoch
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an unserer Situation nichts ändern. Verhungern oder der Tod durch das Schwert eines Feindes – der Unterschied erscheint mir nicht wesentlich. Jeder soll selbst die Art seines Todes wählen, es ist ja doch alles verloren.“
    Ein erschrockenes Raunen ging durch die Reihen der Ratgeber.
    „Ihr dürft nicht aufgeben, mein König“, Dalinius wählte seine Worte mit Vorsicht, denn noch war Julien der Hochkönig von Anoria und es stand ihm nicht zu, den Herrscher des vereinten Königreiches zu kritisieren, „Ihr habt uns aus vielen Zwangslagen befreit. Und noch ist unsere Situation nicht hoffnungslos.“
    Lange blickte Julien seinen Ratgeber an. Dalinius war ein junger Mann Anfang dreißig mit den schmalen, angenehmen Gesichtszügen der Adligen aus Ariana, hellbraunen, wuscheligen Haaren und sanften braunen Augen, mit denen er den König jetzt erwartungsvoll ansah.
    „Was soll ich denn tun? Ich weiß, dass mein Volk Not leidet und dass es meine Pflicht ist zu handeln. Mir fällt nur einfach keine Lösung ein.“
    „Schließ einen Waffenstillstand!“
    Julien seufzte: „Das sagst du so einfach, Logis, aber –“, er verstummte mitten im Satz. Ruckartig hob er den Kopf und sah zur Tür.
    Tatsächlich, dort stand sein alter Freund Logis, unverändert bis auf seine Kleidung und seinen Haarschnitt. Anstelle der zeremoniellen Farben seines Clans trug er ein Kettenhemd unter einem dunklen Mantel und sein einst kurz geschnittenes, hellblondes Haar war inzwischen schulterlang. Doch sonst hatte die Zeit der Heimlichkeit und Entbehrungen keine Spuren hinterlassen. Zielstrebig wie gewöhnlich trat er auf Julien zu.
    „Die Lösung liegt auf der Hand. Wir können nicht Krieg führen und gleichzeitig das Land auf den Wintereinbruch vorbereiten. Also bitten wir die Brochonier um einen Waffenstillstand“, inzwischen hatte Logis den Thron erreicht. Wenn er über das Aussehen seines Freundes erschrak, ließ er es sich zumindest nicht anmerken, „unsere Feinde werden die gleichen Probleme haben. Und ich habe mit François gesprochen. Wenn wir damit einverstanden sind, wird sich die Gilde darum kümmern.“
    Ungläubig starrte ihn Julien an. Innerhalb weniger Augenblicke hatte er die Antwort auf Fragen gefunden, mit denen sich Julien bereits einen Monat lang quälte.
    „Warum sind die Gildemitglieder mit diesem Vorschlag nicht zu mir gekommen?“
    „Du bist ungerecht, Julien“, die Regeln des Hoflebens schienen dem Ariana-Fürsten entfallen zu sein. Früher hätte er den König nie in der Öffentlichkeit derart formlos angesprochen, „du hast dich von allem zurückgezogen und der Gilde die gesamte Regierung aufgebürdet. Sie waren vollauf damit beschäftigt, die Vorgänge in Anoria zu koordinieren.“
    Julien senkte betroffen den Blick: „Die Gilde hat viel für uns getan und ohne ihre Hilfe wären wir längst vernichtet worden. Ich werfe ihnen nichts vor“, dann lächelte er unvermittelt, „es tut gut, dich wieder zu sehen, Logis. Wie bist du hierhergekommen?“
    Logis erwiderte sein Lächeln: „Nun, nachdem die Brochonier Dalane eingenommen und nahezu zerstört hatten, entschloss ich mich, mein Volk in Sicherheit zu bringen. Ich war bereit gewesen, mich in Komar dem Feind zu stellen, aber der Preis schien mir zu hoch. Wir haben ein paar Dörfer und alte Festungen im hohen Norden, die gut versteckt sind. Dort werden die Arianer den Krieg unbeschadet überstehen, denn die Brochonier interessieren sich letztendlich nur für den Zugang zum Reich der Kandari und für die Vernichtung all ihrer Feinde. Ein paar harmlose Bauern sind für sie nicht wichtig. Aber es war stets mein Plan gewesen, dich im Kampf zu unterstützen“, inzwischen waren die umstehenden Menschen näher gerückt und auch Julien lehnte sich gespannt nach vorn. Es herrschte absolute Stille im Thronsaal, als Logis weitersprach, „also sammelte ich meine Streitmacht im Norden Arianas, wo uns kein Feind überraschen konnte. Nachdem alle ausgerüstet und bewaffnet waren, brachen wir auf. Das war vor zwanzig Tagen. Ich schickte Späher nach Komar. Die Stadt ist noch besetzt. Es ist nahezu unmöglich, Komar vom Land aus anzugreifen. Und so bin ich nach Arida gekommen, zusammen mit zweitausend berittenen Soldaten, nachdem ich weitere fünfhundert zur Verstärkung der Grenze zurückließ.“
    Verhaltener Jubel erschallte in einer Ecke der Halle. Zweitausend Mann! Das waren mehr als doppelt so viele wie die Bemannung von Arida zu Beginn des Krieges. Plötzlich

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