Das Vermächtnis der Montignacs
waren weder rasiert noch trugen sie eine Krawatte. Letztere schienen auch Tag für Tag denselben abgewetzten Anzug zu tragen. Im Flur roch es nach Desinfektionsmitteln, und der FuÃboden, die Wände und die Decke aus Stein machten das Ganze auch nicht gerade einladender.
Am Ende des Flurs bogen sie nach links ab und wurden in einen groÃen Raum geführt, wo sich in regelmäÃigen Abständen kleine Tische mit Plastikstühlen befanden. Die anderen Besucher entdeckten ihre Angehörigen, verteilten sich zögernd und setzten sich zu ihnen. Montignac lieà seinen Blick schweifen. SchlieÃlich fand er den Gesuchten an einem Tisch in der hintersten Ecke und ging auf ihn zu.
»Hallo, Gareth.« Er lieà sich ihm gegenüber nieder.
»Owen.« Gareths Stimme verriet unendliche Erleichterung. »Ich bin ja so dankbar, dass Sie gekommen sind. Ich wusste nicht, ob Sie es tun würden.«
»Natürlich komme ich, wenn Sie mich darum bitten.« Montignacs Blick wurde besorgt. »Wie geht es Ihnen?« Gareth lachte und zuckte mit den Schultern, wie um zu sagen, das sei doch wohl offensichtlich. »Ehrlich gesagt hat es mich überrascht, dass Sie mich sehen wollten«, fuhr Montignac fort. »Doch dann nahm ich an, dass Sie einen Grund dazu haben.«
Er betrachtete Gareth und versuchte, seine Erschütterung zu verbergen. Der Junge war auch früher nicht eben übergewichtig gewesen, doch seit seiner Inhaftierung hatte er gut zehn Pfund abgenommen, seine Haut war wächsern und bleich, und das Haar kurz geschoren worden. Offenbar hatte er sich auch seit Tagen nicht rasiert, und die Bartstoppeln waren unregelmäÃig gewachsen; das Kinn war von ihnen überwuchert, doch auf den Wangen und dem Hals sprossen sie nur vereinzelt. Das ehedem blühende Aussehen des jungen Mannes war jedenfalls auffallend rasch verblasst, was wohl daran lag, dass sein bequemes Leben abrupt beendet worden war. Zu Montignacs Erstaunen rauchte Gareth eine Zigarette, was er, soweit er sich erinnerte, sonst nie getan hatte.
»Das Ganze«, begann Gareth nervös und sah sich um, um sicherzugehen, dass niemand sie hörte. »Das Ganze ist ein gewaltiger Irrtum.«
»Wirklich?«
»Natürlich ist es â« Gareth stockte. »Ich weià nicht, wie es passiert ist. Es â es muss ein schrecklicher Unfall gewesen sein.«
Seufzend lehnte Montignac sich zurück und sah, dass Gareths Finger zitterten, wenn er die Zigarette in den Mund steckte und ungeübt daran zog wie ein Schuljunge, der zum ersten Mal raucht. Ãberdies inhalierte er zu tief und behielt den Rauch zu lange im Mund, schaffte es aber, nicht zu husten.
»Warum erzählen Sie mir nicht, woran Sie sich erinnern«, schlug Owen vor. »Von Anfang an.«
»Da gibt es ein Problem«, sagte Gareth. »Ich erinnere mich kaum an den Abend, und daher weià ich auch nicht, was ich darüber erzählen soll. Jeder fragt mich danach, aber ich habe dazu nichts zu sagen. Ich weià noch, dass ich zur Threadbare gefahren bin, um mich mit Ihnen zu treffen, und dass Sie vorgeschlagen haben, irgendwo zu Abend zu essen, und dass wir zum Pub am Ende der StraÃe gegangen sind und â«
»Wo Sie eine Menge getrunken haben«, fiel Montignac ihm ins Wort. »Sie waren gar nicht zu bremsen. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der in einer solch kurzen Zeit derart viel Alkohol konsumiert hat.«
»Das habe ich früher auch schon getan«, gestand Gareth niedergeschlagen. »Eigentlich hätte ich meine Lektion lernen müssen. Alkohol und ich â wir vertragen uns nicht. Irgendwann reiÃt der Faden, und ich werde gewalttätig.«
»Offenbar.«
»Aber so etwas habe ich zuvor noch nie getan. Nicht einmal annähernd. Das müssen Sie mir glauben, Owen.«
»Ich habe versucht, Ihnen Einhalt zu gebieten«, sagte Montignac. »Ich habe Sie gebeten, entweder langsamer zu trinken oder zu Wasser überzugehen. Daraufhin sind Sie reichlich aggressiv geworden.«
»Ist das wahr?«
»Leider«, entgegnete Montignac bekümmert. »Sie sagten, Sie seien kein Kind mehr und ich sei nicht Ihr Vater. Sie fragten, wo denn der Spaà des Lebens sein solle, wenn Sie nicht einmal einen Lohn von tausend Pfund feiern dürfen.«
Tief beschämt barg Gareth das Gesicht in den Händen. »Es tut mir so leid«, murmelte er. »Ich hätte auf Sie hören
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