Das Vermächtnis der Montignacs
auch weiterhin deinen Lohn. Es wird dir gut gehen.«
»Wenn ich allein in einem Haus dieser GröÃe lebe? Lieber Himmel, wenn ich daran denke, wie ihr alle noch Kinder wart.«
»Das war vor zwanzig Jahren.« Stella kehrte zu ihrem Sitzplatz zurück. »Vater ist tot, Mutter ist tot, Andrew ist tot und Owen kommt nie zu Besuch.«
»Doch, er kommt. Ich habe ihn angerufen.«
»Ach.« Ãberrascht sah Stella auf.
»Ja, du hattest mich doch darum gebeten.«
»Und er hat den Anruf angenommen?«
»Er hat den Anruf angenommen und hatte mich am anderen Ende. Und da blieb ihm wohl nicht anderes übrig, als mit mir zu reden.«
Stella lächelte und dachte daran, wie schwierig es war, Owen an den Apparat zu bekommen.
»Was hat er gesagt«, fragte sie. »Kommt er hierher?«
»Zuerst hat er es mit allen möglichen Ausreden versucht, du weiÃt, wie er ist. Doch zu guter Letzt hat er eingewilligt, uns am Samstag zu besuchen.«
»Schön«, sagte Stella, »dann kann ich ihn in meine Pläne einweihen. Anstandshalber.«
»Und wie genau sehen diese Pläne aus? Wohin willst du gehen?«
Stella zuckte mit den Schultern. Zu ihrer Rechten stand auf dem Schreibtisch ein riesiger altmodischer Globus auf hölzernem Sockel, den sie langsam drehte. Die einzelnen Länder in ihren bunten Farben huschten an ihr vorüber. Ihr Blick blieb an dem Blau der Ozeane haften.
»Ich dachte an Amerika«, erklärte sie, während der Globus sich langsamer drehte. »Vielleicht New York. Dahin reist doch heute jeder, oder?«
»New York?«, wiederholte Margaret und begann erneut zu frösteln. »Ist die Stadt nicht schrecklich gefährlich?«
»Nicht gefährlicher als London«, erwiderte Stella kalt. »Hast du es nicht mitbekommen? Ständig werden dort unschuldige junge Männer umgebracht.«
Margaret runzelte die Stirn. Ihr gefiel nicht, wie Stella redete, als hätte das, was geschehen war, sie kalt und zynisch gemacht.
»Lass das«, bat sie.
»Was?«
»Du darfst dich nicht so quälen, indem du auf die Weise an Raymond denkst.«
»Ich habe schon Wichtigeres als Raymond verloren. Und es überlebt. Oder hast du das vergessen?«
Margaret merkte, dass sie zornig wurde, und wandte den Blick ab. Stella begann wieder, den Globus zu drehen.
»Natürlich könnte ich auch in Richtung Süden statt Westen reisen. Vielleicht alte Freunde in der Schweiz besuchen.«
»Das scheint mir keine gute Idee.«
»Warum nicht?«, fragte Stella schulterzuckend. »Was kann es denn nach all der Zeit noch schaden?«
Margaret öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Auf dieses Thema würde sie sich nicht einlassen. »Das müssen wir jetzt nicht mehr aufwärmen«, erklärte sie. »Du kennst meine Meinung. Aber wenn du entschlossen bist, Fehler zu machen, dann â«
»Ich bin entschlossen, das zu tun, was ich für das Beste halte.«
»Dann wasche ich meine Hände in Unschuld.« Griesgrämig lieà Margaret ihren Blick durch den Raum wandern und spürte erneut einen leichten Schauer. »Es ist so kalt hier drin. Warum setzt du dich nicht in den Salon?«
Genau das hatte Stella zwar gerade vorgehabt, doch da Margaret es vorgeschlug, änderte sie ihre Meinung.
»Nein, ich bleibe noch eine Weile hier«, sagte sie. »Aber wenn du magst, kannst du gehen.«
Margaret warf einen Blick auf das Bücherregal zu ihrer Linken. Es stand voller Gesetzesbücher. Sie trat näher heran, strich mit dem Finger über ein Regal, besah sich den Finger und schüttelte den Kopf. Nur in den seltensten Fällen hatte Peter Montignac jemanden zum Putzen und Staubwischen in dieses Zimmer gelassen. Er hatte behauptet, er wisse, wo sich jeder Gegenstand befinde, und wolle nichts verändert haben. »Wie verstaubt alles ist«, sagte Margaret. »Ich muss jemanden bitten, hier sauber zu machen. Darum haben wir uns in der ganzen Zeit nicht gekümmert. Der Papierkorb da quillt schon über.« Sie lief zum Schreibtisch und nahm ihn an sich. »Bis später«, verabschiedete sie sich und verschwand.
»Und du sprichst mit Annie, ja?«
»Möchtest du das wirklich? Bist du dir sicher?«
»Ganz sicher.«
»Gut, dann rede ich mit ihr. Tust du mir auch einen Gefallen? Denkst du noch einmal über dein Vorhaben nach? Oder sprich wenigstens mit Owen
Weitere Kostenlose Bücher