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Das Vermächtnis der Montignacs

Das Vermächtnis der Montignacs

Titel: Das Vermächtnis der Montignacs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Testament eröffnen. Erinnere mich daran, ihn später anzurufen. Ich muss ihm sagen, wie das Urteil ausgefallen ist. Er hat die Verhandlung auch verfolgt, und jetzt den Höhepunkt zu verpassen, gefällt ihm nicht. Es ist, als hätte man einen Kriminalfall auf der Bühne erlebt und müsse, weil die Kinder krank geworden sind, vor dem letzten Akt gehen, obwohl dann alle im Wohnzimmer versammelt werden und der Mörder überführt wird.«
    Jane lächelte und dachte, wie blumig Eleanor erzählen konnte.
    Â»Du bist sicher froh, wenn das hier vorbei ist«, fuhr Eleanor nach einer längeren Pause fort.
    Â»Roderick wird es jedenfalls sein, so viel steht fest. Was glaubst du, wie leid wir die Reporter vor unserer Tür sind. Catherine Jones, unsere Nachbarin, ist wahrscheinlich schon dabei, eine offizielle Beschwerde abzufassen.«
    Â»Und was ist mit dir?«
    Â»Hm«, sagte Jane bedächtig. »Der Prozess hat Roderick erschöpft. Am liebsten wäre mir, wir würden irgendwo Urlaub machen. Es wäre schön, wenn wir nach diesem Tag wieder mehr Zeit für uns hätten.«
    Â»Roderick hätte das Urteil gleich nach dem Schuldspruch verkünden sollen. Ich finde, es war falsch von ihm, so lange zu warten. Ich habe das ganze Wochenende an nichts anderes denken können.«
    Nach dem Schuldspruch der Geschworenen am vergangenen Donnerstag hatte Roderick erklärt, er werde seinen Urteilsspruch auf Montagmorgen vertagen, denn er wolle seine Entscheidung in Ruhe überdenken. In den meisten Kommentaren war man sich daraufhin einig gewesen, dass er vorhatte, das Standardurteil abzumildern, und wegen der Gesetzmäßigkeit eines solchen Schritts vorher einschlägigen Rat einholen wollte. In den Redaktionen wurden bereits die Federn gespitzt, um am Montag über ihn herfallen zu können. Roderick mochte die Zeit zum Nachdenken brauchen, aber seine Kritiker nutzten die Zeit, um ihre Angriffe vorzubereiten.
    Â»Er hat das getan, was er für richtig hielt«, sagte Jane. Privat war sie zwar gewillt, ihren Mann hier und da zu kritisieren, aber das hieß noch lange nicht, dass andere dasselbe Recht besaßen. »Immerhin steht das Leben eines Jungen auf dem Spiel.«
    Â»Das bezweifle ich«, entgegnete Eleanor. »Man braucht schon enormen Mut, um so jemanden zu hängen.«
    Jane holte Luft, um sich gegen die unausgesprochene Kritik zu wehren, doch in dem Moment rief der Gerichtsdiener den Saal zur Ruhe. Das Stimmengemurmel verstummte. Dann wurde Henry Domson zum letzten Mal zur Anklagebank geführt.

9
    Â»Es ist ganz gut, dass der alte Knabe tot ist«, bemerkte Charles Malroy, rieb die Spitze seines Queues mit Kreide ein und kniff sein schlechtes Auge zu, um die schwarze Kugel besser ins Visier zu bekommen. »Wenn er wüsste, was bei uns gerade geschieht, würde er sich im Grab umdrehen.«
    Â»Was ist nur mit diesen Amerikanern los?«, fragte Samuel Levison. »Zuerst wollen sie mit uns nichts mehr zu tun haben und bestehen darauf, ihr verdammtes Land selber zu regieren, und dann kommen sie, um uns den verdammten Thron zu rauben. Wenn wir nicht aufpassen, werden die noch imperialistischer, als wir es jemals waren.«
    Charles öffnete den Mund zu einer Antwort und schloss ihn wieder. Owen Montignac hatte das Billardzimmer betreten und sah sie ungehalten an. Samuel zuckte zusammen und stieß gegen die weiße Kugel. Sie sprang vom Tisch, rollte über den Boden und blieb vor den Füßen ihres Gastgebers liegen. Montignac betrachtete sie verwundert, als frage er sich, woher auf einmal diese Billardkugel gekommen sei. Dann bückte er sich, hob sie auf, umschloss sie und hatte offenbar nicht vor, sie wieder freizugeben.
    Â»Meine Herren«, sagte er leise.
    Die Angesprochenen, junge wie alte, wichen seinem Blick aus, hatten jedoch genügend Anstand, ein wenig beschämt zu wirken.
    Â»Schlimme Sache«, bemerkte einer.
    Â»Schrecklicher Verlust«, murmelte ein anderer.
    Â»Ich danke Ihnen für Ihr Kommen«, sagte Montignac mit einer Stimme, die das Gegenteil besagte. »Sehr anständig. Mein Onkel wäre gerührt gewesen.«
    Â»Er war ein guter Mann«, erklärte der frühere Innenminister, trat auf Montignac zu und schlug ihm auf die Schulter. »Einer der Besten. Ich schätze mich glücklich, ihn gekannt zu haben. Und ich habe sie alle gekannt.«
    Â»Sicher«, sagte Montignac

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