Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)
gießen?«
»Im Gegenteil, Junge. Ich bin dabei, den Brand zu löschen. Dieser Brief wird mit etwas Glück auch dem letzten Holzkopf verdeutlichen, dass die Verwirklichung der Regierungspläne den Niedergang Schottlands zur Folge haben würde und damit des ganzen Königreichs. Die Reihen der Befürworter beginnen sich ohnehin bereits zu lichten. Nach diesem Brief werden sie ihre irrige Position aufgeben und das tun, was Politiker gerne tun, wenn Gegenwind aufkommt: sich drehen und mit dem Wetter segeln.«
»Wie schön«, knurrte Quentin. »Vielleicht hast du dann ja auch wieder Zeit, dich um deine Familie zu kümmern.« Es klang unverhohlen vorwurfsvoll. Marys tadelnder Blick traf ihn.
Sir Walter dachte einen Augenblick lang nach, dann legte er die Feder beiseite, nahm die Brille ab und sah Quentin fragend an. »Sollte ich etwas übersehen haben, Neffe?«
»Falls du es nicht bemerkt haben solltest, Onkel – wir versuchen, das Rätsel zu lösen, das wir aus den Katakomben deiner Bibliothek zutage befördert haben!«
»Und dafür bin ich euch dankbar«, versicherte Sir Walter, »auch wenn eure Bemühungen bislang noch keine greifbaren Ergebnisse gezeitigt haben.«
»Vielleicht würden sie das ja, wenn du uns helfen würdest, statt deine Nase ein ums andere Mal in fremde Angelegenheiten zu stecken! Statt dich um das Wohl Schottlands zu sorgen, solltest du dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten kümmern!«
»Aber nichts anderes tue ich, mein lieber Quentin!«
»Tatsächlich? Warum hilfst du uns dann nicht, dieses Rätsel zu lösen? Oder siehst dir wenigstens einmal die Bücher von Abbotsford an, dann wüsstest du wenigstens, wie schlecht es …«
»Quentin!«, wies Mary ihn so scharf zurecht, dass er verstummte. Wütend biss er sich auf die Lippen, hinderte sich selbst daran, Dinge zu sagen, die er womöglich später bereute.
»Nein, er hat ein Recht darauf, wütend zu sein«, versicherte Sir Walter. »Ich habe euch alle getäuscht, und das bedaure ich sehr, und mir ist klar, dass die Wunden, die ich damit geschlagen habe, zu tief sind, als dass sie innerhalb weniger Tage heilen könnten. Aber ich hatte keine Wahl, als so zu handeln. Vielleicht, mein Junge, wirst du das irgendwann verstehen, wenn es um dein Vermächtnis geht.«
»Vielleicht«, räumte Quentin ein, jetzt wieder ruhiger. »Vielleicht werde ich aber auch zu dem Schluss kommen, dass es das alles nicht wert ist.«
»Und das sagst ausgerechnet du?« Der Blick, den Sir Walter ihm zusandte, hätte dem sterbenden Julius Cäsar zur Ehre gereicht. »Willst du mir ernstlich vorschlagen, vor meinen Feinden zu kapitulieren? Dieses Rätsel ungelöst zu lassen?«
»Dieses Rätsel, wie du es nennst, hätte dich um ein Haar das Leben gekostet«, brachte Quentin in Erinnerung. »Vielleicht wäre es am Ende besser, davon abzulassen, ehe jemand von uns ernstlich zu Schaden kommt.«
»Und einem Feind das Feld überlassen, der noch nicht einmal den Mut besitzt, sein Gesicht zu zeigen?«
»Wenn es ihn überhaupt gibt«, gab Quentin zu bedenken. »Vielleicht jagen wir ja auch nur Hirngespinsten hinterher.«
»Mit Verlaub, das denke ich nicht«, wandte McCauley ein, der bislang höfliche Zurückhaltung geübt hatte. »Ich glaube, dass der Schlüssel, den wir gefunden haben, durchaus ein Geheimnis birgt und dass wir diesem Geheimnis auf den Grund gehen müssen.«
»Wenn wir wenigstens einen Hinweis hätten«, wandte Mary ein.
»Aber den haben wir!«, beteuerte Sir Walter.
»Nightfall«, bestätigte Quentin spöttisch. »Das kann alles Mögliche bedeuten.«
»Richtig – wenn da nicht der Hinweis auf die Familie Stewart wäre«, erwiderte Sir Walter.
»Was soll das heißen?«
»Dass ich am frühen Morgen unseren guten Freund Mortimer Kerr losgeschickt habe, damit er in Dunbar etwas für mich überprüft.«
»Wieso in Dunbar?«, fragte McCauley.
»Weil dieser Ort in direkter Verbindung mit den Hinweisen auf dem Schlüssel steht«, erklärte Sir Walter zu aller Verblüffung. »Königin Mary floh einst nach Dunbar Castle, nachdem ihr Ehemann, der Earl of Darnley, wohl aus Eifersucht ihren Vertrauten Rizzio vor ihren Augen hatte ermorden lassen.«
»Und was hat das mit dem Schlüssel zu tun?«
»In einem der zahlreichen Briefe, den sie viele Jahre später während ihrer langen Gefangenschaft verfasste, schrieb Königin Mary einmal, es wäre dieser Tag gewesen, an dem die Nacht über ihr Leben hereingebrochen sei.«
»Nightfall«, flüsterte Mary
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