Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis der Runen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
Vom Netzwerk:
passiert?«
    »Allem Anschein nach hat er sich selbst erhängt, dort drüben.« McCauley deutete auf den Balken, um den noch immer das Ende des Stricks geschlungen war. »Mr. O’Leary hat noch versucht, ihm das Leben zu retten, aber er kam wohl zu spät.«
    »O’Leary?« Pine sah sich nach dem Maat um, der noch immer mit düsterer Miene dabeistand.
    »Aye, Sir«, bestätigte der.
    »Was hatten Sie hier unten zu schaffen?«
    »Ich war wegen der Ratten hier unten, wollte ein paar Fallen aufstellen. Aber alles, was ich fand, war der Käpt’n. Baumelte von der Decke wie ein Stück Senkblei.«
    »Und dann?«
    »Was wohl?« O’Leary spuckte aus. »Hab noch versucht, ihn zu retten, aber das ging nicht mehr. Hat sich ’n Strick genommen, der arme Kerl. Und wir wissen alle, wer daran Schuld …«
    »Fangen Sie nicht wieder damit an!«, wies der Erste Offizier ihn scharf zurecht. »Selbstmord?«, wandte er sich dann an McCauley.
    »In der Tat.«
    »Unmöglich.« Pine schüttelte den Kopf. »Wieso sollte der Käpt’n so etwas tun?«
    »Das weiß ich nicht. Ich kann nur sagen, was ich vorgefunden habe, als ich unter Deck kam.«
    Pine schüttelte noch einmal den Kopf, fast störrisch und sichtlich betreten. Dann ließ er sich auf die Knie nieder und schloss McCabe die Augen. »Unmöglich«, murmelte er dabei noch einmal. »Nicht Sie, Käpt’n.«
    Es war offenkundig, dass die beiden ein enges Verhältnis unterhalten hatten. McCabe war Pines Lehrer und Mentor gewesen, vielleicht sogar eine Vaterfigur. Unwillkürlich musste Quentin an sich selbst und Sir Walter denken, und er hatte das Gefühl, etwas zum Trost des Offiziers sagen zu müssen, mit dem er sich plötzlich solidarisch fühlte.
    »Wir können in niemanden hineinsehen, Mr. Pine«, sagte er deshalb leise. »Wir wissen nicht, welche Finsternis in den Herzen der Menschen lauert – selbst in denen, die wir gut zu kennen glauben.«
    Ob Pine die Worte hörte, war nicht festzustellen. Augenblicke lang kauerte er vor der Leiche des Kapitäns, schien mit den Tränen zu kämpfen. Dann, in einem jähen Entschluss, erhob er sich, die Miene eine eiserne Maske. »Als ranghöchstem Offizier an Bord dieses Schiffes fällt damit mir das Kommando zu«, stellte er fest und wandte sich an die umherstehenden Matrosen. »Ruft die Männer auf Deck zusammen. Ich habe ihnen ein paar Dinge zu sagen.«
    »Aye, Sir. Und was ist mit dem Käpt’n?«
    »Er wird auf See bestattet«, erwiderte Pine ohne mit der Wimper zu zucken. »Nichts anderes hätte er gewollt.«
    »Und was unternehmen wir wegen der Frau?«, fragte O’Leary.
    »Welcher Frau?«, wollte Pine wissen.
    »Die dieses verdammte Unglück erst über uns gebracht hat«, wurde der Maat deutlicher. »Die blinde Passagierin!«
    Beifälliges Gemurmel war hier und dort unter den Matrosen zu hören, sodass O’Leary zufrieden grinste. Pine straffte sich. Ihm schien klar zu sein, dass er seine Autorität jetzt unter Beweis stellen musste – oder das Kommando würde ihm entgleiten.
    »Halten Sie den Mund, O’Leary!«, fuhr er den Iren an. »Entweder, Sie behalten Ihren abergläubischen Unfug für sich, oder ich lassen Sie wegen Aufwiegelung der Mannschaft einsperren, haben Sie verstanden?«
    »Aber Sir! Sie glauben doch auch nicht, dass sich der alte McCabe einfach so umgebracht hat, oder? Das ist nicht mit rechten Dingen zugegangen, das wissen Sie genauso gut wie ich!«
    »Ob Sie verstanden haben, will ich wissen!«, herrschte Pine den Maat an, ohne auch nur im Geringsten auf dessen Einwand einzugehen. Die Augen des jungen Kapitäns funkelten dabei.
    O’Leary zögerte. Er taxierte Pine, schien seine Chancen abzuwägen, wenn er es auf eine direkte Machtprobe ankommen ließ. Einige der Matrosen würden sich vermutlich auf seine Seite schlagen – aber würden es genug sein?
    Quentins Blicke flogen zwischen den beiden Kontrahenten hin und her. Ihm war klar, dass, sollte es zu einer Meuterei an Bord kommen, niemand auf die Passagiere Rücksicht nehmen würde. Unwillkürlich ballte er die Fäuste, zog sich zu McCauley zurück, der sich ebenfalls wieder erhoben hatte.
    Es war still geworden im Laderaum, nur das Knarren des Schiffskörpers war zu hören. Augenblicke lang lag eine Konfrontation greifbar in der Luft.
    Dann senkte O’Leary abrupt den Blick und wandte sich ab.
    »Aye«, knurrte er wie ein geprügelter Hund. »Aber eines muss ich noch loswerden, Käpt’n: Diese Überfahrt steht unter keinem guten Stern. Sie wissen das, und ich

Weitere Kostenlose Bücher