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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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hölzerne Häuschen mit seiner in der Mitte rund ausgeschnittenen Sitzbank. Die Latrine war, wie das Licht und ihre Nase ihr verrieten, schon längere Zeit nicht mehr ausgehoben und gereinigt worden, daher beeilte sie sich. Zitternd vor Kälte, wollte sie in die Herberge zurückkehren, doch sie hatte noch keine drei Schritte zurückgelegt, als sie nicht weit vor sich eine heftig schluchzende Frau an der Schuppentür stehen sah. Ohne nachzudenken, ging sie auf sie zu. »Was ist mit dir? Kann ich dir helfen?«
    Ihrer Frage folgte ein noch heftigerer Tränenausbruch. Dann rutschte die Frau an der Schuppenwand hinab und krümmte sich, als habe sie heftige Schmerzen. Marie stellte ihre Laterne auf den Boden und beugte sich zu ihr hinunter. Im selben Augenblick traf sie ein heftiger Schlag und löschte ihr Bewusstsein aus wie eine Kerze.
    Die Frau, die eben noch jämmerlich geweint hatte, sprang auf die Beine und nickte dem vierschrötigen Mann zu, der Marie eben mit einem Knüppel niedergeschlagen hatte. »Na, wie habe ich das gemacht, Xander?«
    »Sei still, Beate! Halt mir lieber das Licht und pass auf, ob jemand kommt!«, herrschte der Mann, der ebenfalls in einer Rüstung ohne Abzeichen steckte, sie mit gedämpfter Stimme an.
    Die junge Frau nahm Maries Laterne an sich, anstatt jedoch Wache zu halten, sah sie zu, wie Xander Marie in einen Sack stopfte und sich diesen mit einer Leichtigkeit über die Schulter warf, als wäre es nur ein Bündel gedroschenen Strohs. Dann leuchtete sie ihm den Weg zum Tor der Herberge aus. Der Lärm im Innern des Hauses, der jedes Geräusch im Umkreis übertönte, schien sie nun doch etwas nervös zu machen, denn sie blickte sich immer wieder um.
    Es betrat jedoch niemand den Hof, da drinnen der scheinbar herrenlose Krieger, dem Marie begegnet war, die Haustür blockierte. Als ein Gast ihn barsch anfuhr, den Weg freizugeben, langte er feixend zum Schwert. »Es ist besser für dich, wenn du noch eine Weile die Beine zusammenkneifst. Ein Freund von mir ist da draußen und will bei seinem Geschäft nicht gestört werden!«
    Währenddessen öffnete Beate das Tor, ließ ihren Begleiter hinaus und folgte ihm wie ein Schatten ins Freie. Als sie die Straße zum Hafen erreicht hatten, stieß Xander einen schrillen Pfiff aus. Auf das Signal schien der Krieger in der Herberge gewartet zu haben, denn er nickte zufrieden, trat auf den Hof hinaus und tauchte im Dunkel der Nacht unter.

X.
     
    H ulda von Hettenheim schlug schier der Magen gegen die Kehle, als das rechte Vorderrad ihres Reisewagens in ein besonders tiefes Schlagloch fiel. Besorgt legte sie die Hände auf ihren geschwollenen Bauch, als könne sie das Kind darin vor den Stößen beschützen. Nun machte sie sich Vorwürfe, weil sie so lange in Rheinsobern geblieben war, denn bis zur Geburt würden keine vier Wochen mehr vergehen. Wenn sie ihr Kind am Straßenrand oder gar in einer der Herbergen gebar und es ein Mädchen wurde, mochte es sein, dass sie all ihre Vorbereitungen für diesen Fall umsonst getroffen hatte.
    »Daran ist nur diese verdammte Hure schuld!«, entfuhr es ihr.
    »Geht es Euch nicht gut, Herrin?« Alke, ihre Leibmagd, schob sich trotz des schwankenden Wagenkastens zu ihr hin und stopfte ihr ein weiteres Kissen in den Rücken.
    »Lass mich!« Hulda stieß ihre Magd zurück und rieb sich die Stirn. Alke kannte die Mimik ihrer Herrin gut genug, um zu wissen, was sie nun zu tun hatte. Sie nahm ein Fläschchen aus einem Beutel, welches eine scharf riechende Essenz aus Minze und Kamille enthielt, träufelte ein paar Tropfen davon auf ein sauberes Tuch und begann damit Frau Hulda die Schläfen und den Nacken zu massieren. Dabei sprach sie beschwörend auf ihre Herrin ein. »Seht Ihr, es wird schon wieder besser. Ihr dürft Euch nicht aufregen. Es wird alles gut werden.«
    Hulda atmete tief durch und nickte. »Du weißt eben am besten, was mir hilft, Alke. Darum bist du ja auch meine Leibmagd.«
    Ihr kurzes, scharfes Lachen weckte Marga aus ihrem unruhigen Schlummer und erschreckte zwei junge Mägde, die Frau Hulda gegenübersaßen und so aussahen, als wünschten sie sich an das andere Ende der Welt. Die beiden wurden Mine und Trine genannt und waren Schwestern. Mit ihren goldblonden Haaren und den großen blauen Augen konnte man sie hübsch nennen,auch wenn ihre Gesichter zu rund wirkten, um als schön zu gelten. Mine war ebenfalls hochschwanger und litt sichtlich unter den schlechten Straßenverhältnissen. Daher hatte Trine

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