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Das Vermächtnis der Wanderhure

Titel: Das Vermächtnis der Wanderhure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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herabdrangen. Lange Zeit vernahm er nur Schreie, die von entsetzlichen Qualen kündeten, und als er die Gebete jener Mägde vernahm,deren Hilfe bei der Geburt nicht benötigt wurden, begann er mit dem Schlimmsten zu rechnen.
    In der Morgendämmerung stieg Alke die Treppe in den Rittersaal hinab. Ihre Miene wirkte so verkniffen, dass Lauenstein schon annahm, Hulda habe die Geburt nicht überlebt. »Was ist mit meiner Tochter?«
    »Sie hat es überstanden«, antwortete die Leibmagd mit einer Stimme, die das Gegenteil hätte vermuten lassen. Sie fasste sich jedoch rasch und winkte Lauenstein, ihr zu folgen. »Kommt mit, Herr, und seht selbst.«
    Lauenstein lief hastig die Treppen hoch und erreichte die Kemenate noch vor der Magd. Als er eintrat, sah er seine Tochter blass und abgespannt, aber bei vollem Bewusstsein auf ihrem Bett liegen. Obwohl sich das Bündel in ihren Händen bewegte, machte sie ein Gesicht, als würde sie das Neugeborene am liebsten zur nächsten Schießscharte hinauswerfen. Ohne ein Wort zu sagen, schlug sie das Tuch auf. Ein winziger, rotfleckiger Säugling ruhte darin. Lauensteins Blick suchte sorgenvoll die Stelle zwischen den Beinen, die über das Schicksal Hettenheims entscheiden würde, und als er die verräterische Kerbe entdeckte, stieß er einen Fluch aus, der einen Söldner hätte rot werden lassen.
    Hulda reichte Beate ihre siebte Tochter und stemmte sich mit den Ellbogen hoch. »Bezähme dich, Vater, denn noch ist nicht alles verloren. Es gibt noch eine schwangere Frau auf der Otternburg, nämlich Marie Adlerin.«
    Lauenstein starrte seine Tochter entgeistert an. »Du willst den Sohn einer Hure als deinen eigenen ausgeben? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Dieses unedle Blut …«
    »Dieses unedle Blut, wie du es nennst, wird mir dabei helfen, den letzten Willen meines toten Gemahls zu erfüllen und Heinrich von Hettenheim von Falkos Erbe fernzuhalten. Ich werde die Herrin aller Burgen und Liegenschaften bleiben und meinen Töchtern die Mitgift verschaffen können, die ihnen gebührt. DerBalg hier ist jedoch überflüssig.«
    Frau Hulda betrachtete das Neugeborene mit einem mörderischen Blick. Plötzlich hielt sie inne, nahm das Kind von Beate zurück und entblößte ihre schweren, tief hängenden Brüste. Mit der rechten Hand quetschte sie eine der blassen Brustwarzen, um zu sehen, ob schon Milch floss. Als ein wässriger Tropfen austrat, versuchte sie zur Verwunderung ihres Vaters die Tochter zu säugen. Frau Hulda bemerkte seinen verständnislosen Blick und lachte spöttisch auf. »Wenn ich in wenigen Wochen den Erben von Hettenheim nähren will, brauche ich meine Milch. Wir können es uns in dieser Situation nicht leisten, eine Amme zu rufen.«
    Lauenstein schüttelte es bei dem Gedanken, seine Tochter würde den Sohn eines Wirtsschwengels und einer ehemaligen Hure tatsächlich als ihr eigenes Kind ausgeben, und rief innerlich alle Heiligen an, Marie mit einem Mädchen niederkommen zu lassen. Dann aber dachte er an den reichen Besitz, der Hulda und seinen Enkelinnen in diesem Fall verloren gehen würde, und er verstand ihre Beweggründe.
    »Nun gut, hoffen wir, dass deine Feindin dir das Geschenk macht, das du dir von ihr erwartest.« Damit drehte er sich brüsk um und verließ den Raum.

ZWEITER TEIL
     

Ein infamer Plan

I.
     
    A nni und Mariele stellten erst im Lauf des nächsten Tages fest, dass Marie verschwunden war. Zunächst hatten sie angenommen, ihre Herrin wäre zum Hafen gegangen, um den Schiffer zu fragen, wann er weiterfahren würde. Als jedoch die Stunden vergingen, ohne dass Marie zurückkehrte, wurden sie unruhig. Schließlich befahl Anni Mariele, in der Herberge zu warten, und lief selbst zum Rhein hinab. Doch weder der Schiffer noch seine Knechte wollten Marie gesehen haben. Verwirrt kehrte die Magd in die Herberge zurück und suchte nach Gereon und Dieter. Sie fand die beiden Krieger in der Wirtsstube, in der sie mit Soldaten der Stadtwache würfelten.
    »Habt ihr die Herrin gesehen?«, fragte sie.
    Gereon knallte gerade den Würfelbecher auf den Tisch. »Wie ihr seht, drei Fünfen. Ich habe gewonnen!«
    Dann erst drehte er sich zu Anni um. »Was ist los?«
    »Weißt du, wo Frau Marie ist?«
    Gereon wechselte einen kurzen Blick mit Dieter, der nur mit den Schultern zuckte, und machte eine verneinende Geste. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo die Herrin sich aufhält. Als ihre Leibmagd müsstest du das doch besser wissen.«
    »Ich habe sie den ganzen

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