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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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Langeweile
betrachtete er die Türe, die geschnitzte Reliefdarstellungen aufwies, Zirkel,
Papier, Senkblei, aber auch Gebäudeteile und stilisierte Schriftrollen. Hätte
er nicht bereits von Meister Peterzano erfahren, dass Fermo Merisi, der Vater Micheles,
Architekt und Majordomus des Markgrafen von Caravaggio gewesen war, an den
Reliefs hätte er es unschwer erkennen können. Innerlich etwas nervös lief er
auf und ab und hätte beinahe schon aufgegeben, als er wiederum Schritte auf der
Treppe vernahm und die Haustüre geöffnet wurde.
    „Die Herrin erwartet Euch!“, brummelte
die Alte vor sich hin. „Folgt mir!“
    Sie ließ ihn an sich vorüber ins
Haus treten. Ein Duft von alten Tapeten und Seifenlauge schlug ihm entgegen.
Die Geburtsstunde des Gebäudes schien tiefer in die Vergangenheit zu reichen,
als es von außen den Anschein hatte. Die Alte schlurfte ihm voraus eine steile Treppe
hinauf und führte ihn durch einen kurzen Gang in eine Art Empfangszimmer, das
von den drei jetzt durch Läden verdunkelten Fenstern nur spärlich erleuchtet
wurde. Dort saß, mitten im Raum auf einer Chaiselongue, eine Frau, vielleicht
dreißig Jahre alt, mit einem unverkennbar an Michele erinnernden Gesicht. Mit
leicht gequollenen Tränensäcken und einem etwas zu breiten Mund wirkte sie
nicht direkt hübsch, hatte aber etwas Anziehendes, Feines. Ihr helles Kleid
vermittelte den Duft einer Frühlingswiese. Dennoch spielte um ihren Mund ein
bitterer Zug, als wäre sie vom Leben enttäuscht worden.
    Er verbeugte sich tief und ließ den
Hut über den Boden schleppen. Sie lächelte und streckte ihm ihre Hand entgegen,
die er vorsichtig ergriff und der er einen Kuss auf hauchte.
    „Madame. Mein Name ist Enrico.
Chronist in Diensten des Kardinals am vatikanischen Hof, Ferdinando Gonzaga.
Wenn Ihr die Schwester Michelangelo Merisis seid, möchte ich Euch bitten, mir
einige Fragen zu beantworten.“
    Enrico wagte nicht den Blick zu
heben, da er befürchtete, dass sie ihn des Hauses verweisen würde, weil er zu
frech und aufdringlich auftrat. Schließlich wusste er nicht, wie Bruder und
Schwester zueinander standen.
    „Was soll ich Euch beantworten,
habe ich doch meinen Bruder seit über fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen?
Unsere Familienbande sind längst zerrissen. Ich weiß nichts von ihm.“
    Enrico versuchte unverbindlich zu
lächeln, fand aber bereits den Umstand ungünstig, dass ihm kein Stuhl angeboten
wurde. Unauffällig sah er sich danach um, aber es stand keiner im Raum. Man
wollte ihn demnach bewusst stehen lassen.
    „Wenn Ihr nach Bildern suchen
solltet, Gemälden aus seiner Jugendzeit, vergebliche Mühe. Wir besitzen nicht
eines aus seiner Hand. Der Familie gegenüber besaß Michele nur eine schwache
Neigung.“
    Enrico beeilte sich, den Verdacht,
er sei ein Bilderjäger, sofort zu zerstreuen.
    „Mir geht es nicht um Bilder aus
Micheles Hand. Aber wenn ich mit einigen wenigen Fragen in der Vergangenheit
graben dürfte. Bei Sandkastenspielen oder gemeinsamen Musikabenden.“
    „Fragt!“, unterbrach sie ihn und
lachte bitter. „Fragt schnell und verlasst ebenso schnell wieder das Haus. Mein
Gatte steht in Diensten der Familie Sforza. Wir sind den Gonzaga gegenüber
nicht verpflichtet.“
    Mit einer noch tieferen Verbeugung
versuchte Enrico die Hausherrin zu besänftigen.
    „Entschuldigt, Signora.“
    „Kürzen wir es ab!“, unterbrach sie
ihn wieder, ganz offensichtlich wenig daran interessiert, mit ihm über Michele
zu sprechen. Dennoch erzählte sie, was Enrico verwunderte! Warum? „Michele habe
ich nicht mehr gesehen, seit wir mit dem Verkauf mehrerer Grundstücke in
unserer Heimatstadt Caravaggio Micheles Schulden getilgt haben. Der Rest des
Erbes wurde aufgeteilt, und Michele versilberte seinen Anteil sofort, um nach
Rom gehen zu können. Mehr ist nicht zu sagen.“
    Enrico räusperte sich. Ihm war es
unangenehm, mitten im Raum zu stehen, während die Hausherrin saß. Also ließ er
sich schließlich auf den Boden nieder, obwohl Caterina Merisi seine Handlung
mit Entsetzen beobachtete.
    „Signore!“
    Je länger er die Frau betrachtete,
desto deutlicher stand ihm vor Augen, dass er sie kannte. Sie war ihm schon
einmal begegnet. Angestrengt dachte er darüber nach, wo er das Gesicht Caterina
Merisis schon einmal gesehen hatte, wo ihm diese Augen, dieser zerbrechlich
wirkende Mund und der leicht faltige Hals untergekommen waren. Es gelang ihm
nicht. Zwar lag ihm die Lösung des Rätsels auf der Zunge,

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