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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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geteilt und mir die Fähigkeit gegeben, zu erkennen, wer ich wirklich bin. An deiner Seite habe ich mir zum ersten Mal in meinem Leben gefallen.
    Diejenige, die vor mir da war, verzeih, dass ich ihren Namen nicht nennen will, hat dich voll und ganz gehabt. Ich habe deinen Schmerz gefühlt und sie dein Leben. Jede von uns hat dir das gegeben, was du in jenem Moment brauchtest, und du musst beiden dafür dankbar sein. Für dich, der so viele Dinge versteht, wird es daher nicht schwer sein zu verstehen, dass es mir nicht genügt, dich nur auf die andere Art zu haben und dich mit einer Toten teilen zu müssen. Darum, mein Lieber, Liebster, verlasse ich dich, bevor du es vielleicht tust und leiden musst. Ich wäre niemals mit dir gekommen, auch wenn du mich darum gebeten hättest. Dass du mich gefragt hättest, dessen bin ich mir übrigens sicher.
    Damit ich meinen Entschluss nicht bereue und weil ich große Angst vor dem Tod habe, werde ich ihn so schnell und so schmerzlos wie möglich empfangen und mir die Pulsadern aufschneiden.
    Leb wohl, Īsā, so werde ich dich ab jetzt nennen. Denn nun bist du Īsā – und ich war nur die Gefährtin von Jesus.
    Deine Maria Magdalena
    Leonora legte eine Hand auf Gua Lis Leib und wischte ihr mit der anderen die Tränen von den Wangen. Sie wusste von ihrem Geheimnis, obwohl Gua Li es ihr nie verraten hatte, und Leonora wünschte sich von ihr die Antwort, die sie sich während ihrer Gefangenschaft selbst gegeben hatte.
    »Das hätte sie niemals getan, wenn sie ein Kind von ihm erwartet hätte, nicht wahr?«
    Langsam schüttelte Gua Li den Kopf.
    »Nein, ein Kind ist etwas Absolutes, und nur der Tod kann diese einzigartige Verbindung zwischen Mutter und Kind sprengen. Die Mutter und ihr Kind – alles andere zählt nicht mehr.«
    Ein Knall und ein langer Pfiff ließen sie aufschrecken. Ferruccio, gefolgt von Osman, schaute aus der Luke und sah die glitzernden Lichter, die sich in den Wellen spiegelten.
    »Ihr dürft an Deck kommen!«, schrie er. »Die Hand Allahs war stärker als der Fluch dieser Frau. Schaut und bewundert ihre Schönheit.«
    Auf den gekräuselten Wassern des Marmarameeres zeigte die Bugspitze der Schebecke auf die Minarette Istanbuls und die glänzenden Goldkuppeln der Hagia Sophia.
    »Es war nicht Allah«, sagte Osman leise zu Ferruccio, »sondern die Hand Fatimas, die uns lenkte. Bewahre sie auf, und du wirst deinen Sohn wachsen sehen.«
    »Sollte ich eines Tages noch einen Sohn haben, dann nenne ich ihn dir zu Ehren Claudio, der Hinkende.«
    Bayezid der Gerechte saß auf der Terrasse der Burg der Sieben Türme und betrachtete das kleine schnelle Schiff, das in voller Takelage mit aufgeblähten roten Segeln auf den Hafen zugeschossen kam. Dieser laute Knall bedeutete Neuigkeiten. Als wolle er nach dem Schiff greifen, beugte er sich mit gestreckter Hand nach vorn. In Richtung Mekka hingegen verbeugte er sich nicht, als aus dem Minarett der königliche Muezzin das dritte Gebet des Tages, das Salat al-Asr , erklingen ließ. In letzter Zeit war Allah nicht gut zu ihm gewesen. Bayezid wusste, dass er den Christen nicht trauen konnte, und das Schweigen von Kardinal de’Medici bestätigte seinen Verdacht. Wenigstens hatte er den Vertrag mit ihm eher zu seinem Vergnügen geschlossen und nie wirklich daran geglaubt, dass er einen Vorteil daraus ziehen könnte. Er kehrte in seine Gemächer zurück, und das Lachen von Amina erfreute ihn ebenso sehr wie sein Gast.

52
    8. April 1498, Palast des Sultans
    Bäuchlings lag Osman vor dem Sultan und beendete sein Geständnis. Wie es sich für einen Herrscher geziemt, der auf dem Thron der Vier Kalifen sitzt, ließ sich Bayezid seine Wut jedoch nicht anmerken. Während Osman weiter in seiner Position ausharrend von zwei treuen und zungenlosen Janitscharen streng bewacht wurde, verließ Bayezid den Saal für Privataudienzen. Er ging in ein kleines Nebenzimmer, in dem ein Gast auf ihn wartete, der durch ein Holzgitter jedes Wort mitgehört hatte.
    »Ein Mann, der sich seiner Taten schämt, sollte belohnt werden«, meinte der Gast, »so, wie er für seine Taten bestraft werden muss. Vergebung und Gerechtigkeit aber miteinander zu vermengen wäre wie Kauen und Sprechen zugleich.«
    »Du willst also, dass ich ihn zugleich belohne und bestrafe?«
    »Nicht exakt. Eine milde Bestrafung ist keine wirkliche Bestrafung, und eine unangemessene Belohnung ist keine wirkliche Belohnung. In der Reihenfolge liegt die Lösung: zuerst die Bestrafung

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