Das Vermächtnis des Kupferdrachens ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Pantoffeln unterm Bett zu finden. Als er die kühle Türklinke in der Hand fühlte, zögerte er einen Moment, riss die Tür dann aber weit auf und lief den Gang hinunter.
Hatte es wirklich geklopft, oder hatte sie nur geträumt? Lamina sah zum Fenster – es war noch finstere Nacht. Da klopfte es erneut.
»Wer ist da?«
»Ich bin es, Vlaros. Ich muss dich dringend sprechen!«
»Mitten in der Nacht?« Sie zog die Decke bis zum Hals hoch.
»Bitte, es ist sehr wichtig!«
Lamina entzündete die Lampe auf ihrem Nachtschränkchen und zog die Decke dann wieder hoch. »Komm rein, es ist nicht abgeschlossen.«
Verwundert musterte sie den Magier, unter dessen Umhang noch der Saum seines Nachthemds hervorlugte und der nervös von einem Pantoffel auf den anderen trat.
»Nimm dir einen Stuhl und erzähl mir, was passiert ist.«
»Nichts.« Vlaros errötete. »Ich meine: noch nichts. Aber es wird bald etwas passieren.«
»Ich verstehe kein Wort.«
Vlaros rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her, als er an die unrühmliche Rolle dachte, die er in diesem Stück spielte. Er berichtete erst stockend und leise, doch dann sprach er immer schneller. Lamina ließ vor Schreck die Decke los und knetete nervös die Hände.
»Sie werden ihn bei Sonnenaufgang töten, wenn er allein in den Wald zur Jagd geht.«
»Hast du ihn schon gewarnt?«
Vlaros schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Was?« Lamina sprang mit einem Satz aus dem Bett. Mit wehendem Nachtgewand rannte sie den Gang entlang und eilte die Treppe hinunter zu Seradirs Gemach.
Und zum zweiten Mal wunderte sich ein Bewohner von Burg Theron darüber, dass in tiefster Nacht bei ihm angeklopft wurde.
Der Elb war sofort wach, schlüpfte in seine wildlederne Hose und nahm das Hemd von der Stuhllehne, ehe er die Tür öffnete. Als er die nächtliche Besucherin sah, vergaß er, in sein Hemd zu schlüpfen. Barfuß und mit offenem Haar stand sie da, die Wangen vor Aufregung gerötet. Das Nachthemd aus Seide und Spitzen schmiegte sich an ihren Körper.
»Ich muss dringend mit dir reden!«
»Das glaube ich. Sonst hättest du sicher bis zum Morgen gewartet.«
Einladend öffnete er die Tür. Sein Blick huschte vom Bett zum breiten Sofa und dann wieder zu Laminas Nachthemd. Entschlossen setzte sich Lamina aufs Sofa und zog die Beine hoch, denn die Fliesen waren eiskalt. Seradir wurde immer verwirrter.
Was sollte das bedeuten?
Er kramte einen wollenen Umhang hervor und legte ihn Lamina um die Schultern. Zitternd verkroch sie sich unter dem Stoff, bis sie kaum mehr zu sehen war. Seradir zog sein Hemd an, band es zu und schlüpfte in seine Stiefel, bevor er sich ihr gegenüber in einem Sessel niederließ.
»Also? Ich bin ganz Ohr.«
Hastig berichtete Lamina von den Feindseligkeiten und dem geplanten Mordanschlag.
»Vielen Dank für die Warnung. Ich werde auf der Hut sein.«
»Du willst doch nicht trotzdem auf die Jagd gehen?«
»Soll ich mir von diesem Gesindel vorschrEiben lassen, wie ich lebe? Oder sogar feige fliehen?«
»Seradir, du verstehst nicht. Die Menschen sind abergläubisch und kennen Eiben nur aus Gruselmärchen. Für alles, was hier passiert, machen sie dich verantwortlich – und sie hassen dich, weil du mein Freund bist.«
»Ich gehe nur, wenn du mich fortschickst. Angst hab ich keine – sollen sie nur kommen!«
»Ich schick dich nicht fort, doch vielleicht ist es besser, wenn du eine Weile in den Eibenwald zurückkehrst. Dort bist du in Sicherheit.«
Der Schmerz in seinen dunklen Augen tat ihr fast körperlich weh. Schon wieder hatte sie ihn verletzt. Lamina warf den Umhang ab, sprang auf und eilte zu ihm. Ganz fest nahm sie seine Hände in die ihren.
»Ich weiß nicht, wie viele Männer noch auf meiner Seite sind. Ich muss das erst herausfinden. Bitte! Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dass dir etwas passiert.« Tränen traten ihr in die Augen, und sie flüsterte kaum hörbar: »Weil ich dich so liebe.«
Seradir zog sie auf den Schoß und schlang die Arme um sie. Lamina schmiegte sich an ihn. Ihr Kuss war so leidenschaftlich, dass sie außer Atem gerieten. Zum ersten Mal kam Seradir in den Sinn, dass nicht nur er gefährdet sein könnte. Die Bilder aus Dijol standen ihm wieder vor Augen, ihre Flucht und die tödliche Gefahr. Wenn er bliebe, würde sich der Hass auf Lamina ausweiten. Er konnte sich verteidigen, aber sie? Und was würde aus dem ungeborenen Kind werden, wenn Lamina aus der Burg vertrieben würde? Er konnte sie mitnehmen! Die
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