Das Vermächtnis des Kupferdrachens ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
ihm ein wichtiger Umschlagplatz für das Quecksilber. Wenn er nur wüsste, wem er diese Schmach zu verdanken hatte!
Er musste sich zur Ordnung rufen. Dies war nicht die Zeit, Kraft auf Rachepläne zu verschwenden. Er durfte sein Ziel nicht aus den Augen verlieren: die fehlenden Teile der Drachenkrone und die verschollenen Tore zwischen den Welten. Wer konnte schon sagen, wie viel Zeit ihm noch blieb?
*
Am zweiten Abend erreichten sie die hohe Wand, die schwarz und bedrohlich in den Abendhimmel ragte. Die Luft war erfüllt vom Krächzen der Geier, die als dunkle Schatten über ihnen kreisten. Keen führte den Magier zu der Spalte, durch die man in die Höhle vordringen konnte. »Hier, großer Meister, hier sind die anderen reingegangen.«
»Gut, du wirst mitkommen. Nimm einen Söldner mit, der den Ring mit der Kette trägt.«
Keen nickte abwesend. Er trottete zu einem der Männer und winkte ihm, dem Magier zu folgen.
»Saranga, darf ich bitten?« Der Magier reichte ihr die sorgfältig eingepackte blaue Drachenfigur. »Der Drache wird dir nichts tun, solange du sie bei dir trägst.«
Die Kämpferin steckte die Figur ein, zog das Fläschchen, das Vertos ihr gegeben hatte, aus dem Rucksack und begann, sich sorgfältig mit dem Öl einzurEiben. »Nur für den Fall, dass Ihr Euch irrt. Schließlich habt Ihr die Figuren noch nie ausprobiert, oder?«
Astorin schnaubte unwillig und wandte sich ab. Er schickte Keen voraus und gebot dem anderen Mann, der Halsreif und Kette schleppte, dicht bei ihnen zu blEiben. Kopfschüttelnd folgte Saranga den Männern in die Dunkelheit der schmalen Felsöffnung, das Schwert kampfbereit in der Hand. Sie hörte Astorin ein paar Worte murmeln, und plötzlich flammte eine helle Lichtkugel über seinem Kopf auf, die ihm lautlos nachschwebte und die Felsen in grelles Licht tauchte. Geisterhaft warfen Felsnasen und Vorsprünge Schatten an die Wände, und ein paar Fledermäuse, die sich in ihrer Ruhe gestört fühlten, verließen ihre Schlafplätze unter der hohen Decke und flüchteten in wildem Durcheinander hinaus in die Dämmerung des scheidenden Tages. Ein beißender Geruch lag in der Luft und erschwerte das Atmen. Astorins Männer wurden unruhig. Es waren die ersten Gefühlsregungen, seit sie von der Burg aufgebrochen waren.
Astorin betrachtete sie interessiert und stieß Saranga in die Seite. »Siehst du, die Aura eines Drachen kann die magische Rüstung durchdringen. Sehr interessant!«
»Warum habt Ihr die Männer überhaupt mitgenommen?«
»Ich sagte dir doch schon, das Ganze ist ein Experiment. Ich muss herausfinden, wie die Figuren wirken, ob sie nur den Träger beschützen oder jede Person innerhalb einer gewissen Reichweite.«
Der Gestank wurde immer stärker und unerträglicher. Dennoch setzten sie ihren Weg fort. Ganz unvermittelt endete die hohe, schmale Spalte, die Wände wichen zurück, und vor ihnen öffnete sich eine Höhle von nahezu zweihundert Fuß Höhe. Zahlreiche Vorsprünge und Säulen stützten das Gewölbe aus glasartigem, bläulich schwarzem Vulkangestein. Die glatten Wände spiegelten Astorins Lichtkugel wider. Die vier Menschen hatten allerdings keinen
Blick für die Schönheit der Höhle. Ihre ganze Aufmerksamkeit wurde von dem Wesen gebannt, das in der Mitte der Höhle lag. Auf einem Berg von Münzen und anderem Metall hatte sich der rote Drache zusammengerollt und den Kopf auf seine mit messerscharfen Klauen bewehrten Tatzen gelegt. Es war ein junger Drache, ein schlankes Reptil mit scharfen, abstehenden Schuppen auf dem Rücken, das trotz seiner Jugend schon die stolze Länge von achtzig Fuß aufwies. Die Rückenstacheln ragten gefährlich in die Höhe und glänzten im Strahl der Lichtkugel, die Schwanzspitze bewegte sich unwillig. Aus seinen Nüstern stiegen Rauchkringel, und die gEiben Augen waren starr auf die Ankömmlinge gerichtet.
Der Friede war trügerisch. Astorin fühlte ein Kribbeln in der Magengrube und drückte die kleine rote Figur an sich. Jetzt würde es sich entscheiden, ob in den Figuren noch Macht wohnte. Zum ersten Mal keimten Zweifel in ihm auf.
Saranga sah die riesige Echse an, das Schwert kampfbereit erhoben. Ihre Pupillen pulsierten nervös, eine Schweißperle rann an ihrer Schläfe herab. Ein Zittern durchlief sie, aber sie wandte den Blick nicht von der roten Echse.
Gemächlich hob der Drache den Kopf und fixierte Keen, der ihm am nächsten stand. Trotz seiner Rüstung bebte der Wächter, als wollte er gleich in die Knie
Weitere Kostenlose Bücher