Das Vermächtnis des Kupferdrachens ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
Außerdem glaube ich nicht, dass die Gräfin in einer nassen Grotte rumklettert.« Es war wohl besser, wenn sie ihm nicht berichtete, dass die Fremden die Pferde entdeckt hatten.
»Sie will sich übrigens heute Abend mit uns allen zusammensetzen und über den Zustand der Höfe und über die Pacht reden. Tom und seine Piratenmannschaft sollen heute Nacht einfach in der Höhle blEiben. Ich bin mir sicher, dass sie mit ihrem Eiben morgen wieder abreist.«
»Das hoffe ich! Wenn wir Pech haben, kommt das Schiff heute Nacht. Die beiden sollten also sehr fest schlafen, hörst du?«
»Ich bin ja nicht taub. Sie werden schlafen, dass kein Gewittersturm sie wecken könnte.«
»Gut, ich rufe die anderen zusammen. Wir treffen uns bei Garlo.«
*
Es war schon dunkel, als Lamina und Seradir den Schankraum betraten. Das angeregte Gespräch verstummte sofort, und für ein paar Augenblicke herrschte Totenstille. Sie konnten die vielen Augenpaare spüren, die sie neugierig musterten. Beherzt traten sie näher. Wärme und Bierdunst umhüllten sie, als sie sich auf den ihnen angebotenen Stühlen niederließen. Für einen Schankraum war das Zimmer recht klein. Vier Tische, die die Männer nun in der Mitte zusammengeschoben hatten, ein paar Stühle, ein gemauerter Ofen mit einer Bank in der rechten Ecke und eine roh zusammengezimmerte Theke an der linken Wand waren die einzigen Einrichtungsgegenstände. Auf der Ofenbank kauerten zwei schmutzige Jungen von etwa zwölf und vierzehn Jahren. Der größere schnitzte mit seinem Messer an einem Stück Holz, während ihm der jüngere bewundernd zusah. Hinter der Theke war eine junge, hagere Frau damit beschäftigt, Krüge mit heißem Dünnbier zu füllen. Die Tür neben der Theke führte offenbar zur Küche. Ein Mädchen, höchstens zehn oder elf Jahre alt, schleppte einen großen Topf herein und stellte ihn auf den Boden. Mit einer eisernen Kelle füllte es den Eintopf in Tonschalen und trug sie vorsichtig zum Tisch.
Ein kleiner, dicker Mann mit Glatze trocknete sich die schwitzenden Hände an der fleckigen Schürze um seinen Bauch ab und reichte der Gräfin dann die Hand. »Einen guten Abend, Frau Gräfin. Wie freundlich, dass Ihr Euch eigens zu uns ins raue Dijol bemüht habt.«
Lamina war es, als habe sie ein verächtliches »Pah!« aus dem Mund der Alten gehört.
»Ich heiße Garlo, das da ist mein Bruder Clam, meine Mutter Avia, drüben an der Theke meine Schwester Rita und hier neben mir ihr Mann Taphos.«
Nacheinander zeigte er auf die Leute am Tisch, und Lamina versuchte sich ihre Namen einzuprägen. Clam sah seinem Bruder sehr ähnlich. Auch er war klein und korpulent, hatte aber keine Glatze, sondern flammend rot wucherndes Haar. Rita dagegen war wie die Mutter groß und hager gebaut, hatte flachsblondes Haar und die gleiche scharfe Adlernase.
»Die beiden prächtigen Burschen dort drüben sind meine Söhne Hannes und Ern«, fuhr Garlo fort. Hannes war recht groß und schlaksig. Er hatte das rote Haar der Familie geerbt, das ihm der Vater zu frechen Stoppeln geschnitten hatte. Bei seinem jüngeren Bruder kam eher die Figur des Vaters durch. Er war klein, hatte speckige Arme und Beine und einen blonden Wuschelkopf. Es war offensichtlich, dass er ganz unter dem Einfluss seines geschickteren und flinkeren Bruders stand.
»Und dann haben wir noch die Westhöfler – Fallow, seine Frau Nanja und ihr Sohn Rol.«
Fallow war ein großer, sehniger Kämpfer mit dichtem, braunem Haar, das er zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Sein Sohn war mit seinen siebzehn Jahren eine jüngere Ausgabe des Vaters, nur dass ihm der Bart fehlte und die Züge weicher waren. Nanja war eine hübsche Frau mit sanften, braunen Augen, die sie meist schüchtern niedergeschlagen hielt. Es war offensichtlich, dass sie Angst vor Avias keifender Stimme und vor dem groben Taphos hatte.
»Und wer ist die junge Dame, die uns das Essen serviert?«, fragte die Gräfin.
»Ach Steph, die haben wir letzten Herbst nach einem Sturm aus dem Wasser gezogen. Sie hilft Rita in der Küche und macht alles, was so anfällt.«
»Du bist ein hübsches Kind.«
»Ihr braucht Euch nicht zu bemühen«, meinte Garlo, und in seiner Stimme schwang Ungeduld. »Sie spricht nicht.«
Lamina warf noch einen Blick auf das kleine Mädchen, das mit ernster Miene die Schüsseln auf dem Tisch verteilte. Das schmale Gesicht war blass und fast durchscheinend, und an ihren mageren Armen zeichneten sich die Knochen unter der Haut ab. Blaue
Weitere Kostenlose Bücher