Das Vermächtnis des Kupferdrachens ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
könnt ihn haben.«
Lamina winkte ab. »Nein, nein, das will ich euch armen Leuten nicht antun. Wir gehen ein paar Schritte, und ich verspreche dir, dass ich dem Meer nicht zu nahe komme, damit mir nichts zustößt!«
Sie hakte sich bei Seradir unter und schlenderte mit ihm davon. Die Frau sah ihnen aufmerksam nach. Flinker als man es ihr zugetraut hätte, lief sie zu dem Verschlag im hinteren Teil des Stalls und strich mit dem Finger an der Türritze entlang.
»Sie haben die Pferde gesehen! Das wird Taphos nicht gern hören, verflucht!« Sie spuckte auf den Boden.
Lamina blieb an der Felskante stehen und sah auf das blaue Meer hinaus, das spiegelglatt zu ihren Füßen lag. »Ein stürmisches Meer, das sich die Unvorsichtigen holt, habe ich mir irgendwie anders vorgestellt.« Sie lächelte verschmitzt.
»Willst du zum Strand hinunter?«
»Aber sicher! Mit ihrer plötzlichen Freundlichkeit hat sie mich erst richtig neugierig gemacht!«
Seradir kletterte voran und half Lamina über die steilsten Stellen hinweg. Ohne Schwierigkeiten erreichten sie den breiten, feinsandigen Strand. Es war gerade Ebbe. Das zurückweichende Wasser hatte Tang und Schlick zurückgelassen. Einige Krabben liefen über die nasse Ebene. Ein besonders großes Exemplar mit leuchtend roten Scheren saß hinter einem Steinbrocken und schlürfte eine frisch geknackte Muschel aus.
»Bei Sturm kommt das Wasser sicher bis an die Felsen heran. Sieh nur, wie Wind und Wellen daran nagen.« Seradir deutete auf den brüchigen Überhang, der bis zu dreißig Fuß über ihnen aufragte. »Ab und zu bricht dann ein großes Stück Fels ab. Du kannst dir ausrechnen, wann das Meer die Höfe holt.«
Lamina stützte sich auf den Arm des Eiben und zog ihre Stiefel aus. »Das ist kein Grund, sie so verwahrlosen zu lassen. Ich bin mir sicher, dass sie noch mehr als hundert Jahre stehen. Und wenn nicht, dann weil die Balken verfaulen – nicht weil das Meer sie geholt hat!«
Ihre Zehen gruben sich in den weichen Sand. Suchend drehte sie sich im Kreis. »Ich kann nichts Aufregendes sehen, du vielleicht?« Enttäuschung schwang in ihrer Stimme.
Seradir deutete nach Süden. »Da drüben, das könnte der Zugang zu einer Grotte sein – hinter dem scharfkantigen Felsen, wo die Klippe so dunkel erscheint.«
Lamina griff nach seiner Hand. »Dann lass uns nachsehen!«
Seine Augen hatten ihn nicht getrogen! Als sie um die Felskante bogen, sahen sie eine schmale Öffnung, die in die Klippe führte.
»Sollen wir uns da drinnen ein wenig umsehen?« Laminas Augen leuchteten.
»Bist du nicht ein wenig zu abenteuerlustig?«
»Ich finde, ich habe ein Anrecht darauf zu erfahren, was auf meinem Land vor sich geht.«
»Das schon, aber wir haben keine Fackel oder Lampe dabei, und du würdest in der Dunkelheit da drinnen nichts sehen. Du könntest fallen und dich verletzten. Außerdem, sieh dir die Spuren hier an.« Er zeigte Lamina verschiedene Abdrücke im Sand. »Hier hat jemand ein Boot an Land gezogen. Es kann noch nicht lange her sein, sonst hätte die Flut die Spuren verwischt. Und da: Stiefelabdrücke, die in die Grotte führen! Ich hab nicht mal meinen Bogen bei mir! Es ist zu gefährlich, jetzt da hineinzugehen.«
Die Gräfin nickte. So ganz geheuer war ihr das Ganze plötzlich nicht mehr, und sie fühlte sich erleichtert, nicht in die dunkle Grotte kriechen zu müssen.
»Vielleicht sehe ich mir die Sache heute Nacht mal an.«
»Auf keinen Fall!«, rief Lamina erschrocken. »Du hast selbst gesagt, es ist zu gefährlich.«
»Für dich, weil ich nicht für deine Sicherheit garantieren kann! Doch sieh, die Sonne ist schon fast untergegangen. Wir sollten zurückkehren, bevor es völlig dunkel ist.«
*
Das Lager war schnell errichtet. Wulfer, Ibis und Cay kehrten mit ein paar Zwergen noch einmal zum Bergwerk zurück, um Decken und Proviant zu suchen. Das Feuer im unteren Stollen war bereits erloschen. Ein Stück Decke war heruntergebrochen und hatte die Toten unter sich begraben. Den übrigen Opfern würden sie heute Abend einen Scheiterhaufen errichten.
Neugierig durchstreifte Cay die große Lagerhalle, während die anderen zur Küche oder zu den Quartieren der Wächter gingen. Was wohl in den Fässern war? Er wollte gerade nachschauen, als ihn ein Geräusch herumfahren ließ. Nur drei Schritte hinter ihm stand ein Zwerg und funkelte ihn aus rot verquollenen Augen an, den Kriegshammer zum Wurf erhoben. Der Arm schnellte vor, doch Cay duckte sich blitzschnell, und
Weitere Kostenlose Bücher