Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
Bitte des Rates nach Waffenstillstand.«
»So betrüblich es auch ist, das ist derzeit schwer zu sagen. Mein Gemahl ist verstimmt. Einerseits hat er selbst die Fehde ausgesprochen, und andererseits verachtet er kriegerische Auseinandersetzungen zutiefst.« Nach diesen Worten machte die Gräfin eine kurze Pause. Dabei schaute sie Margareta an. Die junge Rittersgemahlin fühlte sich sichtlich unwohl in ihrer Haut. Sie hatte keine Ahnung, was sich wirklich vor zwei Tagen im Wald zugetragen hatte, und hielt die Tat ihres Gemahls für schlecht und falsch. Dass Eccard aber bereits erfolgreich die Seiten gewechselt und seinem neuen Herrn Johann II. mit Spitzeleien schon einen großen Dienst erwiesen hatte, sollte sie eigentlich jetzt in aller Heimlichkeit erfahren – wenn da nicht der Scholastikus in ihrer Nähe wäre. Die Schwangere tat der Gräfin leid. Unruhig faltete sie ihre Hände vor dem Bauch und knetete diese. Es machte den Anschein, als wolle sie sie wärmen, doch tatsächlich brannte ihr etwas auf der Seele.
»Liebste Gräfin, ich … ich …«
»Ja?«
Margareta räusperte sich umständlich. »Soll ich …«
»Ja?«
»Ich … ich weiß nicht wie ich es sagen soll.«
Die Fürstin blieb stehen. »Was?«
»Wollt Ihr … dass ich den Kunzenhof verlasse? Soll ich gehen? Zurück zur Riepenburg oder wenigstens in das Haus meines Bruders? Ich könnte es verstehen …«
»Gut, dass Ihr das ansprecht. Ich wollte genau darüber mit Euch reden.«
Diese Reaktion ließ Margareta den Atem anhalten.
Für einen kurzen Moment dachte Runa, sie müsse ihre Schwester stützen, so blass sah sie mit Mal aus. Sie selbst wusste, wie unbehaglich sich Margareta fühlte, seitdem Eccard den Grafen beleidigt hatte. Dass sie ausgerechnet die Gastfreundschaft seiner Gemahlin in Anspruch nahm, behagte ihrem wohlerzogenen Wesen gar nicht. Umso besser, dass die Gräfin sie scheinbar jetzt erlösen wollte – Walther und Runa selbst waren nämlich zum Schweigen aufgefordert worden.
»Runa erzählte mir, dass Ihr guter Hoffnung seid«, begann die Gräfin. »In diesem Zustand, und bei solch einem Wetter solltet ihr keine langen Reisen zu mehr Pferd machen. Warum bleibt Ihr nicht eine Weile lang auf dem Kunzenhof?«
Margareta blieb abrupt stehen. »Ihr meint, ich bin Euch willkommen? Obwohl …«
»Ja, das seid Ihr.«
»Gräfin …«, sprach Margareta zögerlich und legte ihre Hand auf ihr Herz, »… das ist überaus großzügig von Euch. Aber kann ich das wirklich annehmen, nach dem was Eccard getan hat?«
Unter anderen Umständen hätte die Gräfin ernsthaft beleidigt sein können. Ein solches Angebot schlug man eigentlich nicht aus. Doch sie konnte Margareta verstehen. Es wurde Zeit, dass sie ihr die Wahrheit sagte.
In diesem Augenblick jedoch erreichte der Scholastikus die Frauen. Er verbeugte sich deutlich zu knapp, als dass es höflich gewesen wäre, und sagte: »Gräfin. Wie passend, dass ich Euch antreffe. Auf ein Wort.« Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass er wütend war.
»Scholastikus. Was kann ich für Euch tun?«, fragte Margarete, als wüsste sie von nichts.
»Nun, wie ich hörte, interessiert Ihr Euch neuerdings für Sachen, die eigentlich dem Domkapitel unterliegen.«
»Wenn Ihr es so nennen wollt, Magister. Mir scheint, Ihr seid verstimmt. Habe ich etwa falsch daran getan, alle Hamburger zur Messe zum Anfang der heiligen Adventszeit in den Dom zu bitten? Wir, als die Landesherren, fühlen uns dem seelischen Wohl unserer Untergebenen verpflichtet. Braucht nicht jeder ein wenig Beistand in diesen schweren Zeiten? Die Jungen wie die Alten, die Gesunden wie die Kranken, die Reichen wie die Armen?«
Es war schwer, etwas darauf zu sagen, denn die Gräfin berief sich auf christliche Pflichten, was sie gutherzig erscheinen ließ. Doch der Scholastikus spürte, dass sie etwas anderes im Sinn hatte, und so wuchs die Wut des Domherrn erkennbar an. »Und ist es etwa auch entscheidend, von wem diesen Leuten der Beistand erteilt wird?«
Margarete lachte hell auf, fast schon kicherte sie etwas dümmlich – und das mit Absicht. »Mein lieber Schulmeister, Ihr fordert zu viel von mir. Ich bin nur eine Frau, diese Frage ist für mich zu theologisch. Ich kann sie Euch nicht zufriedenstellend beantworten. Alles was ich weiß ist, dass mein Gemahl derzeit sicherlich froh wäre, wenn er die vertraute Stimme seines geliebten Bruders vom Altar aus hören könnte. Meine Gedanken waren bloß die eines Weibes, das sich um ihre
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