Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
ehelichen Pflichten sorgt.«
»Verzeiht meine Offenheit, Gräfin, aber vielleicht solltet Ihr die Dinge der Kirche besser in den Händen der Männer lassen.«
Margarete legte sich die Handflächen auf die Brust. »Habe ich Euch etwa damit gekränkt? Wenn das der Fall sein sollte, könnte ich meinem Gemahl natürlich sagen, dass Eure Wünsche über die seinen zu betrachten sind. Wollt Ihr das?«
Johannes von Hamme war jetzt starr vor Zorn, doch er hatte verstanden. Steif wie ein Brett verbeugte er sich und murmelte, »Natürlich nicht«. Dann kam noch ein gepresster Gruß, bevor er verschwand.
Runa und Margareta hatten nicht verstanden, worum es wirklich in diesem kurzen Gespräch gegangen war. Doch was sie sehr wohl verstanden hatten war, dass Margarete den Scholastikus mit List hinters Licht geführt hatte und dass diese List die Messe morgen betreffen würde.
Jetzt wandte sie sich wieder den Frauen zu. Sie verlor keinen Ton über die Situation eben, stattdessen blickte sie sich gründlich um. Niemand war mehr im Garten zu sehen. Die nächsten Worte sagte sie wieder mit gewohnt fester Stimme. Nichts war mehr von der aufgesetzten Ahnungslosigkeit zu hören, die sie eben gespielt hatte. »Jetzt können wir offen sprechen, doch wer weiß wie lang … Margareta, Ihr fragtet mich, ob Ihr mein Angebot wirklich annehmen könnt. Ich sage Euch: Ihr müsst sogar!«
»Ich muss?«
»Lasst mich schnell erklären, damit Ihr versteht. Ritter Eccards Tat im Wald muss Euch nicht länger grämen – sie hatte ihren Sinn, da sie Teil seines heimlichen Lehnsherrenwechsels gewesen war.«
»Ich verstehe nicht ganz …«
»Gestern hat es ein Treffen im Verborgenen vor den Toren der Stadt mit Propst Albrecht und Ritter Eccard gegeben. Bei dieser Zusammenkunft hat er meinem Gemahl die Lehnstreue geschworen, was ihn jetzt natürlich zum Feind Gerhards macht. Doch solange sein Überlauf geheim bleibt, droht keine Gefahr. Am Hofe in Plön hat er bloß ausgekundschaftet, was der Vetter meines Gemahls beabsichtigt. Alles war ein Plan. Doch vorsichtshalber habe ich Ritter Eccard auf die Riepenburg geschickt, wo er verweilen soll, bis er weitere Nachricht von meinem Gemahl erhält.«
Während Margareta noch dabei war, das Gesagte langsam zu begreifen, war Runa unendlich froh darüber, dass die Heimlichkeiten der letzten Tage endlich ein Ende hatten.
Sie nahm Margareta bei den Händen und sagte: »Hast du gehört? Eccard ist in Sicherheit und Vater und Mutter auch.« Dann wandte sie sich eifrig der Gräfin zu. »Und was können wir tun? Wie können wir helfen?«
Margarete lächelte vielsagend. »Gar nicht. Ich habe schon dafür gesorgt, dass uns geholfen wird – von Gott selbst, wenn Ihr so wollt …«
Am nächsten Morgen war der Dom voll wie nie. Von ihren erhöhten Plätzen aus beobachtete das Grafenpaar, wie immer mehr Hamburger hineinströmten. Bürger und Bettler gleichermaßen suchten sich ein winziges Fleckchen zum Stehen. Sie alle waren der Aufforderung gefolgt, der sonntäglichen Adventsmesse beizuwohnen. Erst als endlich alle Plätze zwischen den Kreuzpfeilern der einzelnen Joche und jede noch so kleine Lücke in den Mittel- und Seitenschiffen belegt waren, öffnete sich zwischen den Gläubigen ein Gang. Noch bevor der Geistliche eintrat, schritten die Hofdamen der Gräfin jenen Gang entlang und verteilten Almosen unter den Armen.
Johann II. schaute seine Gemahlin an. Sie war schon immer großzügig und gutherzig gewesen und wurde deshalb gemocht im heimischen Kiel. Offenbar wollte sie sich den Hamburgern nun ähnlich zeigen.
»Eure Großzügigkeit ist unserer Beliebtheit dienlich. Seid Ihr der Meinung, dass wir derzeit so sehr darauf angewiesen sind?«
»Nein, mein Gemahl«, antwortete sie freundlich. »Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Hamburger uns wohlgesinnt sind.« Dann schaute sie wieder zu ihren Hofdamen, die nun auch noch Brote verteilten.
Der Graf kam nicht umhin, sich ein wenig zu wundern. Warum jetzt auch noch Brote?
»Aber das sind ja auch keine Hamburger.«
Nun ruckte sein Kopf zurück in Margaretes Richtung. »So? Und woher kommen diese Leute dann?«
»Aus den Dörfern.«
»Aus den …?« Johann II. schüttelte verwirrt den Kopf und wollte gerade nachfragen, als Margarete ihm zuvorkam.
»Diese armen Menschen haben schon wenig, aber wenn die Fehde beginnt und sie nichts mehr haben, dann werden sie sich daran erinnern, dass wir ihnen Hoffnung gegeben haben. Hoffnung durch Brot und Gebet.«
Der
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