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Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joël Tan
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sich. Wie es aussah, würde ihr nichts weiter übrig bleiben, als tatsächlich heute zu heiraten. Doch wenn es schon so weit kommen sollte, dann würde dieser Kuno sie schon selbst in das Kleid stecken müssen.
    Als die Tür sich wieder öffnete, war Freyja überzeugt davon, dass sie nun ihrem Zukünftigen in die Augen blicken würde, der ihren Ungehorsam mit einer Ohrfeige anerkannte. Etwas ängstlich rückte sie weiter in eine Ecke, doch es war erneut Kuno, der die Tür weit aufmachte, sodass das Mädchen hinter ihm eintreten konnte.
    »Hier hast du deine Magd. Und nun sieh zu, dass du dich endlich ankleidest.«
    Dann fiel die Tür wieder zu.
    Freyja sprang dem schmutzigen Mädchen regelrecht entgegen, sodass dieses erschrocken zurückwich. So leise und doch eindringlich wie möglich sagte sie: »Du musst mir helfen! Ich werde hier gefangen gehalten. Sobald du gehen darfst, musst du Hilfe holen. Ich bitte dich!«
    Das Mädchen sagte nichts, zeigte bloß auf das Kleid.
    Freyja folgte dem Finger und schüttelte den Kopf. »Nein. Du verstehst nicht, man hält mich hier fest. Gegen meinen Willen.«
    Jetzt zeigte das Mädchen auf die Tür und legte daraufhin ihren Zeigefinger auf den Mund. Damit machte sie Freyja klar, dass man ihr gesagt hatte, sie dürfe nicht mit ihr sprechen und dass man sie beide belauschte. Wieder zeigte das Mädchen daraufhin auf das Kleid.
    Freyja schaute die Fremde an und ließ entmutigt die Schultern hängen. So wie es aussah, hatte Kuno sie aus irgendeiner dreckigen Seitenstraße gezogen. Das Mädchen war ein Nichts und ein Niemand, verängstigt und scheu, blutjung und feige noch dazu. Sie würde sicher nicht gegen den Fremden, der ihr entweder etwas versprochen oder etwas angedroht hatte, aufbegehren. Jedenfalls nicht aus bloßem Mitleid. So nahm Freyja das Kleid zur Hand und sagte: »Gut, dann hilf mir jetzt mit den Schnüren.« Als die behelfsmäßige Magd näher kam, um ihr beim Ankleiden zu helfen, packte Freyja sie plötzlich am Oberarm.
    Das Mädchen wollte schreien, doch Freyja hielt ihr im gleichen Augenblick einen goldenen Ring genau vor die Nase. Das Schmuckstück war das letzte, welches sie aus ihrem Schatz noch hatte, und es brachte das Mädchen zum Schweigen. Dann näherten sich Freyjas Lippen ihrem Ohr. Sie flüsterte etwas hinein; die Fremde nickte.
    Obwohl die vorangegangene Nacht kurz gewesen war, begann der nächste Morgen auf dem Kunzenhof in aller Früh. Aber nicht nur hier hatten die Menschen wenig Schlaf gefunden. Auch das Domkapitel befand sich bereits seit dem Morgengrauen in Zwiesprache mit Gott, um dem niedergestochenen Bruder in Christo göttliches Labsal zukommen zu lassen.
    Johann II. und Margarete wollten ebenfalls zum Mariendom, um sich an den Gebeten für den Ratsnotar zu beteiligen. Ihre Pferde und die ihrer Wachmänner wurden bereits gesattelt.
    Runa und Walther traten auf den Hof, wo sie sich vom Fürstenpaar verabschieden wollten. Es wurde Zeit, in ihr altes Leben zurückzukehren – sofern das überhaupt möglich war. Zurück zu Godeke, zu Oda und zu Ragnhild und natürlich zu Thymmo, der sie alle jetzt dringend brauchte. Außerdem hatten Runa und Walther entschieden, Johannes mit zur Grimm-Insel zu nehmen, damit er seiner Mutter und seinem Zwillingsbruder gegenübertrat und ihnen Rede und Antwort stand, wie er es zuvor dem Grafen gegenüber getan hatte. Es würde viel zu besprechen geben, und viele Tränen würden fließen. Keiner vermochte zu sagen, wie das Zusammentreffen ablaufen würde. Ob die Familie bereit war, ihm zu verzeihen, war mehr als ungewiss.
    »… und ihr seid euch sicher, dass ihr nicht noch eine Weile hierbleiben wollt?«, fragte Gräfin Margarete entgegenkommend.
    Es war Walther, der antwortete: »Euer Angebot ist zu gütig, aber schon jetzt weiß ich nicht, wie ich das, was Ihr und Euer Gemahl für uns getan habt, je vergelten soll.«
    »Gar nicht«, sagte sie mit einem traurigen Lächeln. »Ihr seid uns nichts schuldig.« Sie wandte sich an Runa. »Es tut mir so leid. Auch ich habe mir sehr gewünscht, dass man Freyja auf Burg Linau findet. Aber noch gibt es ja etwas Hoffnung. Vielleicht können wir dann erneut helfen. Lasst es uns wissen.«
    Runa nickte, brachte aber kein Wort hervor. Natürlich würde sie jetzt, da es ein Lebenszeichen ihres Kindes gegeben hatte, nicht aufgeben und die Suche nach Freyja so schnell es ging fortsetzen. Doch die Tatsache, keinen einzigen Hinweis mehr zu haben, dem sie folgen konnte, raubte ihr die

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