Das Vermächtnis des Ratsherrn: Historischer Roman (German Edition)
der tatsächlich bis dahin ahnungslos gewesen war, von der anstehenden Hinrichtung berichtet. Der Graf hatte furchtbar zornig reagiert, war aufgesprungen und hatte wild mit den Armen gefuchtelt, während er immer wieder fragte, wer diese Hinrichtung beschlossen hatte und wie es sein konnte, dass er als Letzter davon erfuhr. Eccard wusste auf diese Fragen natürlich keine Antwort, was seinen Herrn nur noch wütender machte. Dabei war der Schauenburger noch nicht einmal wütend über das Urteil, traf es doch keinen seiner Freunde. Im Gegenteil! Johannes vom Berge hatte ihn hintergangen und verdiente den Tod, doch der Ratsherr war ihm über die letzten Jahre ein nicht enden wollender Quell glänzender Münzen gewesen. Sein Tod würde unweigerlich auch das Versiegen dieser Quelle zur Folge haben, hier lag der Grund seines Zorns.
Schlussendlich befahl der Graf seinem Gefolgsmann, sich umgehend wieder auf den Weg zu machen, jedoch nicht nach Hamburg und auch nicht zur heimischen Riepenburg. Nein, er sollte zu den Scarpenberghs reiten, zur Burg Linau, um diesen Bescheid zu geben und die Ritter dann mit nach Hamburg zum Kunzenhof zu nehmen.
Eccard war also, ohne eine Nacht in Plön zu verbringen, um die Mittagszeit weitergezogen – und das, obwohl er wusste, dass er die Burg der Scarpenberghs nicht mehr bei Tage erreichen konnte. Darum verbrachte er eine Nacht in Lübeck und ritt dann in den frühen Morgenstunden weiter. Nun befand er sich auf dem Weg zu der gut gesicherten Raubburg. Doch er war nicht mehr allein unterwegs. Eccard hatte sich einer Gruppe von Lübecker Kaufleuten angeschlossen, die auf dem Weg nach Hamburg waren, um dort Handel zu treiben. Normalerweise bevorzugte er es, alleine zu reisen, doch mit mehreren Männern war der Weg weit weniger gefährlich – selbst für einen Ritter. Fast schon belustigt dachte Eccard daran, dass er sonst vielleicht sogar Gefahr laufen würde, von den Rittern Scarpenbergh selbst überfallen zu werden, obwohl er gerade auf dem Weg zu ihnen war. Das wäre wirklich zu absonderlich gewesen.
Unter anderen Umständen hätte ihn nichts zu den groben Plackern getrieben, die er mit den Jahren aus vielerlei Gründen mehr und mehr zu verachten begonnen hatte. Doch der Graf, dem sie alle verpflichtet waren, wusste weder etwas von seiner Abneigung, noch würde es ihn überhaupt scheren. Und so bediente er sich Eccards und nutzte ihn als Boten zum Überbringen der Kunde. Missmutig dachte der Ritter daran, dass er wohl nicht umhin kommen würde, wenigstens eine Nacht auf der Burg Linau zu verbringen.
Die Kaufleute waren Eccard gegenüber skeptisch – Ritter waren in diesen Tagen, wo es häufig zu Überfällen kam, stets verdächtig. Dennoch hätten sie ihm niemals eine Abfuhr erteilt, schließlich war selbst der schlechteste Schwertkämpfer besser als gar keiner, und dieser schien den Gebrauchsspuren seiner Rüstung nach sogar ein Geübter zu sein. Zu ihrer aller Glück waren jegliche Kampfkünste auf dieser Reise jedoch nicht vonnöten, denn einen halben Tagesritt, nachdem sie Lübeck verlassen hatten, erspähten die Männer auch schon die gut befestigte Burg, die auf einer leichten Anhöhe stand.
Sie hat wahrhaft einen gesegneten Platz, schoss es Eccard durch den Kopf – jedenfalls für jene, die sich Raubritter nannten. Hier, genau an der Straße zwischen Hamburg und Lübeck, kamen unentwegt Kaufmänner, Händler, Geistliche und Spielleute vorbei, die allerlei Waren und natürlich Gold und Silber bei sich trugen. Die Scarpenberghs, von denen jeder wusste, dass sie raubten und mordeten, hatten hier täglich ein leichtes Spiel. Sie brauchten bloß aus der Türe zu treten und zuzugreifen.
»Gehabt Euch wohl, werte Kaufleute, und viel Glück auf Euren Wegen«, verabschiedete sich Eccard freundlich.
»Auch Euch einen guten Weg«, war die verhaltene aber freundliche Antwort. Auch wenn dieser Ritter offensichtlich kein Placker war, blieben die Mienen der Kaufmänner verschlossen.
Eccard nickte ihnen noch ein letztes Mal zu und wendete dann seinen Hengst. Er ritt gradewegs auf eine Zugbrücke der Burg zu, die ihn auf die erste von drei Inseln brachte, aus der die Burganlage bestand. Hier sah er sich umringt von hölzernen Palisadenzäunen. Er ritt weiter und überquerte eine nächste Brücke. Gleich danach musste er durch einen hölzernen Turmbogen reiten. Erst jetzt befand er sich auf der mittleren Insel, der Hauptburg, die ebenfalls von einem Palisadenzaun umgeben wurde. Hier stand
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